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#1521033 - 06.02.23 21:05 Auf Schotterpisten durch die Westalpen Teil 2
lutz_
Mitglied Übernachtungsnetzwerk
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 2.551
Dauer:1 Monat, 1 Tag
Zeitraum:8.8.2022 bis 7.9.2022
Entfernung:0 Kilometer
Bereiste Länder:frFrankreich
itItalien
chSchweiz

Auf Schotterpisten durch die Westalpen - Reloaded

Viele Jahre nach unserer ersten MTB-Tour durch die Westalpen sind wir mal wieder in der Region unterwegs. Angeregt durch Reiseberichte von Biotom, Stuntzi&Goldkettle und intensivem Kartenstudium (mein Frau behauptet, ich würde Karten „auswendig lernen“) brechen wir Anfang August zu einer Tour vom Rhonetal ans Mittelmeer auf.

In Aosta waren wir noch nie, das Queyras ist gesetzt, dort haben Bekannte eine Ferienwohnung gemietet, die wir ein paar Tage besuchen und dort in der Region wandern wollen. Für die Rückfahrt haben wir Anfang September eine Fahrt mit dem Flixbus von Mailand aus für uns und die Räder reserviert, das hat für uns aus Südwestdeutschland schon mehrfach gut funktioniert. Vorteil: Nach Mailand kommt man immer irgendwie.

Einige Schotterpisten haben wir ja schon vor Jahren befahren, deshalb soll es nun über andere Pässe und Übergänge gehen. Unsere Schmerzgrenze sind 500 Höhenmeter Schieben oder Tragen, alle darüber grenzt an Quälerei. Und diese Grenze haben wir bei dieser Tour nur wenige Male überschritten ;-) Das eröffnet zahlreiche Möglichkeiten, in der Region gibt es mehr Pässe als wir jemals befahren können.

Unterwegs sind wir mit zwei MTB-Fullys, dem Selbstbau-Gepäckträger Zorrocarry von Stuntzi und zwei VauDe Bike Alpin-Rucksäcken, die auf Asphalt oder leichten Pisten auf dem Gepäckträger sitzen und so den Rücken frei halten. Erst auf trailigen Abfahrten auf Wanderwegen wandert der Rucksack auf den Rücken, so dass das Rad leicht zu manövrieren ist. Zusätzlich noch jeweils einen wasserdichten Packsack als „Lenkerrolle“ für Schlafsack und Isomatte, das Zelt wird auf dem Zorrocarry befestigt. So haben wir die volle Campingausrüstung dabei und genießen dennoch die Vorzüge von einigermaßen leichtem Gepäck.


Die Anreise gestaltet sich trotz des 9-Euro-Ticket-Andrangs auf unserer ersten Bahnetappe über Karlsruhe, Bern, Visp nach Fully ins Rhonetal ganz entspannt. Wir steigen kurz vor Martigny aus, um direkt in den Anstieg nach La Tzoumaz zu starten.





Der Lac de Mauvoisin und das Fenetre Durand stehen schon lange auf meiner Wunschliste. Von Martigny aus auf der Straße ins Val de Bagne zu pedalieren erscheint mir allerdings wenig reizvoll. Also bietet sich La Tzoumaz und der Col de Croix de Coeur (wie viele Pässe dieses Namens gibt es eigentlich?) als Alternative an. Über die Übernachtungsplattform Warmshowers nehmen wir Kontakt zu Stephane auf, der in La Tzoumaz ein halbes Chalet bewohnt und im Gipfelrestaurant auf dem Col de Coeur arbeitet. So ist die erste Übernachtung gesichert und wir können den Anstieg am späten Nachmittag entspannt angehen. Begleitet von überraschend vielem Verkehr schrauben wir uns langsam aus dem Rhonetal aufwärts. Je höher wir kommen, desto schöner die Blicke auf die Berge. Nach 800 Höhenmetern treffen wir Stephane im örtlichen Bikeshop von La Tzoumaz, da er auf der Abfahrt mit dem E-MTB von seiner Arbeitsstelle auf dem Croix de Coeur noch einen Defekt hatte. Wir fahren die letzten Meter zu seinem Häuschen gemeinsam. Dort können wir auf der Wiese unser Zelt aufstellen. Abends kommen noch ein paar weitere Gäste und wir werden mit köstlichem Essen verwöhnt. Es ist ein sehr lustiger und bunter Abend in den Schweizer Berge, vielen Dank Stephane für Deine Gastfreundschaft!







Am nächsten Morgen packen wir zusammen. Wie immer am Anfang einer Tour dauert das doch noch etwas länger. Die Passstraße zum Croix de Coeur erweist sich als wenig befahrenes Bergsträßchen, das sich in angenehmer Steigung durch den Wald nach oben schlängelt. Oberhalb der Baumgrenze öffnen sich die Blicke und das Panorama wird mit jedem Höhenmeter besser. So lassen sich die Mühen des Aufstiegs gut ertragen. Kurz unterhalb der Passhöhe befindet sich eine Startbahn für Kleinflugzeuge. Wir können beobachten, wie ein Flugzeug dort mehrfach auf der abschüssigen Piste landet, wendet und wieder startet. An der Passhöhe angekommen öffnet sich der Blick. Tief unter uns liegt Verbier, gegenüber leuchtet der Grand Combin mit seinem Doppelgipfel. Ein grandioses Panorama, das die zahlreichen Gäste im Gipfelrestaurant genießen. Wir nehmen ein Kaltgetränk zu uns und verabschieden uns von Stephane, der schon morgens früh dorthin aufgebrochen war. Wir queren auf dem Panoramaweg „La Planie“ höhehaltend hinüber zu den Seilbahnstationen von Les Ruinettes und weiter nach La Chaux.











Hier hat mich auf der Karte ein kleiner Wanderweg angelacht, der sich über mehrere kleine Weiler hinunter in den pittoresken Weiler Sarreyer mit landestypischer Architektur schlängelt. Also machen wir uns bereit für die Trailabfahrt: die Knieprotektoren werden angezogen, der Rucksack wandert auf den Rücken, der Sattel wird nach unten gestellt und die Dämpfer entriegelt. Das Weglein führt vor der Kulisse des Grand Combin steil bergab, nie technisch schwierig, nur unterbrochen von einigen Weidezäunen. Ein toller Einstieg und definitiv panorama- und trailtechnisch die bessere Alternative zur Talstraße durch das Val de Bagne.








Im Dorfladen von Lourtier stocken wir unsere Vorräte auf und nehmen den Anstieg zum Camping von Bonatchiesse unter die Räder. Kurz vor dem Camping wollen wir auf einer sonnigen Wiese am Bach picknicken.

Hast Du die Einkaufstüte eingepackt? Nein, die wolltest Du doch einpacken…

Na super, wir haben doch glatt die Tüte mit dem Proviant für heute und morgen einige hundert Höhenmeter tiefer vor dem Dorfladen liegen lassen. Tolle Wurst!

Ich rufe im Dorfladen an, ja unsere Tasche liegt noch auf der Bank vor dem Laden. Wir haben allerdings keine Lust mehr umzudrehen. Die Besitzerin bietet sich an, die Tasche eventuellen Kunden, die noch talauf weiterfahren unsere Tasche mitzugeben. Wir erklären, dass wir uns auf dem Camping von Bonatchiesse einmieten werden und hoffen das Beste. Der Camping liegt kurz unterhalb der Staumauer des Lac de Mauvoisin schon bald im Schatten. Kaum ist das Zelt aufgebaut und wir frisch geduscht bringt uns die Chefin des Campings unsere Tüte vorbei. Hurra, das Abendessen ist gerettet. Statt den Notfall-Nudeln können wir nun den Abend mit den eingekauften Leckereien genießen!

Geändert von lutz_ (06.02.23 22:09)
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#1521047 - 07.02.23 04:08 Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen Teil 2 [Re: lutz_]
iassu
Mitglied
anwesend und zufrieden anwesend
Beiträge: 24.542
"Notfallnudeln" - lach

Bin sehr gespannt auf die Fortsetzung. Tolle Bilder!
...in diesem Sinne. Andreas
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#1521133 - 07.02.23 19:49 Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen Teil 2 [Re: lutz_]
lutz_
Mitglied Übernachtungsnetzwerk
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 2.551
Wir starten früh am Morgen, es ist im schattigen Tal noch kühl. Die letzten Kilometer auf der Straße hoch zur Staumauer des Lac de Mauvoisin ist kaum Autoverkehr. Kurz unterhalb der Staumauer beginnt ein langer Tunnel. Mitten im Tunnel befindet sich ein Kreuzung mit einem Abzweig zur Staumauer. Diese bietet zu beiden Seiten beeindruckende Aus- bzw. Tiefblicke. Besonders fasziniert mich eine historische Ansicht des Hochtals, das hier unter dem Stausee begraben liegt.









Die folgende Tunnelpassage zieht sich lange hin, nur selten gibt es die Möglichkeit für einen feuchten Tiefblick auf den Stausee. Am Tunnelausgang erreicht uns endlich die Sonne, wir genießen ein zweites Frühstück in der wärmenden Sonne. Die Sonne bringt auch die weiter oben liegenden Gletscher zum Schmelzen. Der Rückgang des Permafrostes führt offenbar zu zunehmendem Stein- bzw. Einschlag. Das durch Sedimente dunkel gefärbte Gletscherwasser mischt sich auf interessante Weise mit dem Seewasser. Hier befindet man sich hoch über dem See, die Piste führt dann allerdings wieder bergab, bis man am Ende des Stausees wieder auf dem Niveau der Staumauer angekommen ist. Nun schraubt sich die Piste am linken Ufer nach oben. Hier werden wir von einigen E-Bikern überholt, die auf dem Weg zur Cabane de Chanrion sind.









Wir biegen allerdings bald nach rechts von der Hüttenpiste ab, überqueren den Bach und pedalieren bis zu einer verfallenen Alm. Hier beginnt die Schiebepassage rund 600 Höhenmeter bis hinauf auf 2797 m ins Fenetre de Durand. Wir befestigen die Lenkerrolle sowie das Zelt am Rucksack. Dieser wandert nun auf den Rücken. So beladen wuchten wir nun die unbepackten Räder den Berg hinauf. Der erste steile Aufschwung ist mühsam zu begehen, zum Glück wird es im oberen Drittel deutlich flacher. Hier können wir für das Alibifoto sogar kurz aufsteigen und ein kurzes Stück fahren. Letztlich ist der Anstieg aber nahezu komplett zu schieben, das Rad muss aber an keiner Stelle getragen werden. In umgekehrter Richtung wäre der Wanderweg wohl komplett fahrbar. Die Schiebearbeit ist aber angesichts des Panoramas trotz der Anstrengung ein alpiner Genuss. Das Fenetre Durand ist schon ein sehr imposanter Übergang in herrlicher Landschaft.











Auf der Passhöhe angekommen machen wir uns für die Abfahrt startklar. Von Italien ziehen dunkle Wolken herauf, da ist es kein Fehler, wenn man sich nicht mehr auf dem Grat der Passhöhe befindet. Der obere Teil der Abfahrt ist gut fahrbar, das anschließende Steilstück schieben wir aber zur Sicherheit. Kurz vor der Alm Thoules erwischt uns ein Regenguss, den wir an der Alm abwettern können. Bald darauf reißt es wieder auf. Statt den direkten Weg ins Tal hinunter nach Ollemont nehmen wir den Höhenweg auf der westlichen Talseite. Hier verläuft hoch oberhalb des Tals eine kilometerlange Wasserleitung, die von einem schönen Trail begleitet wird. Wir müssen nochmal einige Höhenmeter hochschieben, um auf das Niveau der Wasserleitung zu gelangen.









Dann aber geht es kilometerlang auf ebenem Trail am Hang entlang. Eine kurze mit Drahtseil gesicherte Stelle ist eine willkommene Abwechslung. So genießen wir die schöne Stimmung im Abendlicht hoch über dem Tal. Bald nach einer Engstelle, die durch eine Felsspalte führt, campieren wir auf einer einsamen Wiese, wo sich sprichwörtlich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Der junge Fuchs ist überhaupt nicht scheu, er ist sogar sehr neugierig und fast anhänglich. Zur Sicherheit nehmen wir die Schuhe mit ins Zelt, offenbar bin ich durch einige Berichte anderer Radreisender traumatisiert… ;-)

Beim abendlichen Kochen hören und sehen wir noch einen Felsabsturz in der Ostflanke des Mont Velan. Die halbe Nacht hören wir immer wieder weitere Steine und Felsen herunterkollern. Auch hier nagt offenbar der Klimawandel bzw. der zurückgehende Permafrost an den Felswänden.










Geändert von lutz_ (07.02.23 19:53)
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#1521136 - 07.02.23 20:29 Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen Teil 2 [Re: lutz_]
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! natash
Moderator Übernachtungsnetzwerk
abwesend abwesend
Beiträge: 7.487
Sehr schön. Auf die Schuhe passe ich ich, seitdem ich hier(und anderswo) von den schuhsammelnden Füchsen gehört habe, auch auf.
Seitdem mir ein Eichhörnchen ein Loch insie Ortliebtasche genagt hat, um an Käse zu kommen, weiß ich, dass sich nicht nur Füchse
für rezente Duftnoten begeistern ... lach
Ich bin gespannt wies weitergeht, aich wenn ich selbst ja lieber ohne Rad an Felsen (und dazwischen)hänge.

Gruß
Nat
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#1521278 - 09.02.23 20:50 Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen Teil 2 [Re: lutz_]
lutz_
Mitglied Übernachtungsnetzwerk
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 2.551
Aosta
44,8 km
270 m bergauf
1 790 m bergab

Wir wachen im Morgennebel auf. Nach dem hochalpinen Übergang und knapp 2500 Höhenmetern gestern lassen wir es heute ruhiger angehen. Beim Frühstück beobachten wir, wie sich die Sonne langsam durch den Morgennebel kämpft. Wir packen das pitschnasse Zelt ein und folgen der Wasserleitung, bis zum Beginn der Asphaltstraße bei Champillon. Statt auf der Teerstraße ins Tal zu rollen folgen wir der Wasserleitung immer weiter in den Wald hinein. Schließlich geht es steil durch den Wald hinunter nach Etroubles. Auf dem steilen Waldbodentrail sehe ich noch, dass Madame wenig Luft im HInterreifen hat, doch schon ist es zu spät. Der Tubeless-Reifen springt von der Felge und lässt sich mit unserer kleinen Handpumpe nicht wieder luftdicht anbringen. Immer zischt irgendwo Luft mit Dichtmilch aus einer Öffnung. Also wischen wir mit Klopapier die Milch aus dem Mantel und der Ersatzschlauch kommt zum Einsatz.







In Etroubles füllen wir im örtlichen Supermarkt unsere Vorräte auf. Hier könnte man nun bequem auf der Paßstraße des großen St. Bernhard ins Tal Richtung Aosta rollen. Doch der Trail entlang einer weiteren Wasserleitung reizt uns viel mehr. Immer wieder abwechselnd durch Wiesen, Wald und kleine Siedlungen führt der Trail parallel zur Wasserleitung über viele Kilometer am Hang entlang. Hier können wir gemütlich Mittag machen und unser nasses Zelt trocknen. Eilig haben wir es sowieso nicht, da der Fahrradladen in Aosta erst am Nachmittag wieder öffnet.

Am Ende der Wasserleitung oberhalb von Arpilles hat man noch einen schönen Blick auf Aosta. Wir suchen die Bicicletteria auf, bekommen dort frische Dichtmilch und der Kompressor lässt den Mantel wieder satt in die Felge ploppen. Nächstes Mal vor der Abfahrt lassen wir die Luft ein klein bisschen weniger ambitioniert aus dem Reifen ab. Schließlich lernt man nie aus.





Mit frischer Dichtmilch genießen wir noch ein Gelato in der reizvollen Innenstadt von Aosta. Anschließend machen wir uns am Fluss Dora Baltea entlang auf nach Westen. Zwischen Straße und Fluss eingerahmt mieten wir uns auf einem wenig reizvollen Campingplatz ein. Wir kaufen noch etwas Proviant für die morgige Etappe ein. Wir wollen wieder früh aufbrechen, denn es steht uns abermals ein langer Tag mit vielen Höhenmetern bevor…
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#1521279 - 09.02.23 20:57 Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen Teil 2 [Re: lutz_]
veloträumer
Mitglied Übernachtungsnetzwerk
abwesend abwesend
Beiträge: 16.826
Hallo Lutz,
das dürfte wieder eine spannende Tour werden, die oft dort weitergeht, wo ich es bei einer Sackgasse belassen haben (z.B. am Lac de Mauvoisin). Am Col de la Croix de Coeur hatte ich auch überlegt, die Höhenroute einzuschlagen, bin aber quasi aus essenstechnischen Gründen doch lieber nach Verbier runter, war schon Abend. Von Verbier nach Sarreyer gibt es übrigens auch eine Höhenroute über der Talsohle vom Val de Bagnes, teils Asphalt, teils plattgewalzter Schotter, sehr gut zu fahren und auch super Aussicht. Das ganz nennnt sich Route du Soleil. Falls du nicht in meine Schweiz-Bericht hineingeschaut hast:

Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen
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#1521385 - 12.02.23 10:28 Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen Teil 2 [Re: lutz_]
lutz_
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Beiträge: 2.551
Aosta - Colle de Nivolet - Ceresole Reale
56,1 km
2 340 m bergauf
1 300 m bergab

Der Wecker klingelt bei Tagesanbruch, wir packen leise zusammen um die Zeltnachbarn nicht zu stören und verlassen bald darauf den Campingplatz. Die Wettervorhersage passt, heute geht es Richtung Colle Nivolet. Ein seltsamer Pass im Nationalpark Gran Paradiso, da er von Norden her nur über Wanderwege zugänglich ist. Von Süden respektive Südosten geht die Teerstraße bis auf über 2600 m Höhe, nur um kurz darauf zu enden. Schon oft habe ich Bilder des Passes betrachtet, der Reisebericht von Biotom hat mich dann so neugierig gemacht, dass wir den Pass nun unbedingt auch überqueren wollen. Doch erstmal ist Frühstück angesagt. Das ist in Italien recht einfach: Ab in die nächste Bar am Straßenrand: quattro cornetti e due chioccolate calde“ bestellen und kurz darauf hat man ausreichend leckere Kalorien für etliche Hundert Höhenmeter intus. So gestärkt geht es erstmal aus dem Aosta-Tal bergan. Von Norden grüßt der Mont Blanc. Auf kleinen Sträßchen bzw. auf einer ruhigen Schotterpiste auf der gegenüberliegenden Talseite der Teerstraße geht es ins Val Savarenche hinein. Schließlich müssen wir doch auf die Teerstraße wechseln. Hier ist trotz der Sackgasse für den Autoverkehr reichlich Ausflugsverkehr. Nach 1500 Höhenmetern erreichen wir das Ende der Straße in Le Pont. Der riesige Parkplatz ist mit all den Autos zugeparkt, die uns hier herauf überholt haben. Viele kommen hierher, um die Gletscher des Gran Paradiso zu bestaunen. Viel ist davon aber nicht mehr übrig. Die wenigen Häuser mit dem riesigen Parkplatz, das ist nun wirklich kein Ort, an dem wir lange verweilen wollen.










Für uns beginnt nun die Schiebestrecke unter der Stromleitung hinauf zum Colle Nivolet. Also machen wir uns an die üblichen Handgriffe:

Rucksack vom Gepäckträger runter
Lenkerrolle am Rucksack befestigen
Zelt am Rucksack befestigen

Über große Felsbrocken und steile Stufen wuchten wir unsere Räder bergan. Die gut 300 Höhenmeter bis zum Croce della Roley hören sich nicht viel an, der Weg ist aber mühsam zu begehen. Die entgegen kommenden Wanderer schwanken zwischen ungläubigem Entsetzen, Unverständnis und Anfeuerung. Am Kreuz angekommen haben wir den schlimmsten Teil hinter uns. Bald können wir wieder längere Strecken im Sattel zurücklegen. Noch immer sind es einige Hundert Höhenmeter bis zur eigentlichen Passhöhe auf 2612 Metern. Die wunderschöne Hochebene zieht sich kilometerweit. Doch nun gibt es kein Halten mehr, die Passhöhe lockt. Lediglich die Stromleitung stört das hochalpine Ambiente.
















Nach dem obligatorischen Gipfelfoto am völlig zugeklebten Passschild stürzen wir uns im Abendlicht in die Abfahrt hinunter. Wir besichtigen noch die kleine Kapelle auf einem Felsvorsprung mit traumhaften Aus- und Tiefblicken Richtung Ceresole Reale. Unzählige Fotostopps später erreichen wir schließlich den schattigen Talgrund. Der Campingplatz kurz vor Ceresole Reale ist zwar voll, aber für unser kleines Zelt findet sich noch ein Platz. Mindestens genauso wichtig ist der Tisch in der angeschlossenen Pizzeria. Die haben wir uns heute auch redlich verdient!
















Geändert von lutz_ (12.02.23 10:30)
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#1521389 - 12.02.23 11:02 Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen Teil 2 [Re: lutz_]
Juergen
Moderator
abwesend abwesend
Beiträge: 13.785
Cool dafür

Nur gut dass ich an sowas nicht im Traum denke.
Von Martigny nach Aosta bin ich irgendwie anders gekommen. :Lach: grins
° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° °
Reisen +
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#1522087 - 24.02.23 11:33 Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen Teil 2 [Re: lutz_]
lutz_
Mitglied Übernachtungsnetzwerk
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 2.551
Lanzo Torinese
79,0 km
890 m bergauf
2 060 m bergab


Wir sind stolz und glücklich, es über den Colle Nivolet geschafft zu haben. Den einzigen Nachteil an diesem Übergang hatte Biotom in seinem Bericht ausführlich beschrieben. Es gibt keinen sinnvollen Übergang von der Südrampe des Nivolet hinüber in das nördliche der drei Lanzo-Täler. Ich habe die Gegend am heimischen PC mit Google Earth und diversen Beschreibungen auf MTB-News und anderswo genau studiert. Da auch die Strava-Heatmap im oberen Teil des Col Gavietta absolut gar keine Pixel anzeigt, wird dieser Übergang offenkundig nicht begangen. Aus Vegetationsgründen, wie sich leicht vermuten lässt. Hilft ja nix, dann eben auf Asphalt. Über 2000 Höhenmeter wollen auf dem Weg hinunter bis an den Rand der Po-Ebene vernichtet werden. Wir überrollen zahlreiche „sleeping policemen, schießen freundlich winkend an einigen Blitzern vorbei und rollen langsam aus. In Pont Canavese genießen wir den italienischen Kleinstadt-Flair, hier wird auch die Tankstelle noch auf dem Marktplatz geduldet. Die Berge werden zu Hügeln und die Hügel laufen langsam in der Po-Ebene aus. Hier unten ist es deutlich wärmer als obenhin den Bergen, da kommt der Gelato-Automat zur Mittagspause gerade recht. In den Hügeln sammeln wir noch ein paar Höhenmeter, bevor es nach Lanzo Torinese geht. Hier münden die drei Lanzo-Täler unweit Turin in die Po-Ebene. Alle drei sind Sackgassen, weiter nach Frankreich geht es nur zu Fuß bzw. mit dem MTB.

Im Lanzo Torinese mieten wir uns auf dem örtlichen Campingplatz ein. Dort werden allerlei Vorbereitungen für die abendliche Feier am Ferragosto-Wochenende getroffen. Naja, was soll ich sagen: Aus der abendlichen Feier wird eine nächtliche Feier, dank Ohropax kommen wir dann spät doch noch zu einer Mütze voll Schlaf.









Susa
96,1 km
2 690 m bergauf
2 670 m bergab


Nach kurzer Nacht wachen wir bei trübem Wetter auf. Erst am Ortsausgang finden wir eine geöffnete Bar für ein schnelles Frühstück. Wir folgen der Stura Du Viu bis ins gleichnamige Dörfchen. Bei Villa Di Lemie biegt die Passstraße zum Colle Lombarde ab. Es geht gleich richtig zur Sache. Die steilsten Rampen lassen sich für uns nur in Schlangenlinien bewältigen. Bei einem Weiler können wir die Trinkflaschen am Brunnen auffüllen, kurz darauf hört der Asphalt auf und der Regen an. Bei gefühlten 100% Luftfeuchtigkeit ist die Regenjacke keine Option, nass wird man mit oder ohne. Zum Glück hört der Regen bald auf, dennoch dampft der Wald, es herrscht eine mystische Stimmung. Diese wird bald jäh unterbrochen vom Lärmen einiger Motocross-Geländemotorräder. Richtig, ich erinnere mich: Rund um das Susa-Tal dürfen noch zahlreiche Offroad-Pisten von motorisierten Geländefahrzeugen befahren werden. Auch hier gibt es zunehmend Verbote und Einschränkungen, umso mehr ist dann zur Ferienzeit auf den verbliebenen Pisten los. So teilen wir eben dieselbe Faszination, allerdings ist das auf einem nicht-motorisierten Fahrrad doch eine andere Nummer als mit zig PS unterm Hintern.

Auf der Grathöhe angekommen wirkt das riesige Santuario della Madonna degli Angeli doch etwas deplatziert, zu welchem Zwecke das hier oben wohl gebaut wurde? Egal, das Ding kommt gerade recht um den nächsten Schauer abzuwettern. Also sitzen Geländemoped-, Elektro-MTBler und wir als „Bio-Biker“ einträchtig unter dem Vordach und tauschen sich gegenseitig aus, während draußen der Regen prasselt. Die nächste Regenpause nutzen wir, um die fehlenden Höhenmeter einzusacken, die Piste führt hoch über dem Pass noch ein ganzes Stück am Hang entlang bergauf. Pünktlich zum Beginn der Abfahrt kommt der Regen wieder. Also rein in die Regenklamotten, hier oben ist es ganz schön frisch. Der Nebel gibt nur wenige Blicke auf die Piste frei, die entgegenkommenden Motorräder hören wir schon von weitem, sehen können wir sie allerdings erst als sie uns fast schon erreicht haben.

So kämpfen wir uns über die matschige Piste hinunter ins Tal. Der Blick aufs Handy zeigt, dass wir auf der richtigen Strecke sind. Immerhin wird es mit jedem Tiefenmeter wieder etwas wärmer. Hoch über dem Susa-Tal beginnt dann der Asphalt und wir rollen verdreckt aber gemütlich ins Tal. In Condove angekommen wollen wir uns gerade auf die Suche nach einer Pizzeria o.ä. machen, als das Handy vibriert.

Seit vielen Jahren folge ich virtuell Stefan Stuntz aka Alpenzorro auf seinen ausgedehnten Radtouren kreuz und quer auf der Welt. Bei der Routenplanung ist sein umfangreiches Tourenarchiv immer eine gerne genommene Informationsquelle. Es gibt wohl niemanden, der ein so fundiertes und umfangreiches Wissen über die Befahrbarkeit von Übergängen in den Alpen besitzt wie Stuntzi. Mit seiner Partnerin Claudia aka Goldkettle, bin ich immer wieder im losen Kontakt per Chat. So wissen wir auch voneinander, dass wir in derselben Richtung unterwegs sind. Nur dass die beiden auf ihrerm „Remoladix“ bereits vor etlichen Wochen in Slowenien gestartet sind.

Claudia teilt uns mit, dass die beiden von Frankreich über den Col de Montcenis kommend gerade in der Sonne in Susa bei einem Aperol Spritz sitzen. Regen in Condove oder Sonne in Susa, die Entscheidung ist schnell gefällt. Wir streichen die Pizza und radeln gleich weiter zum Bahnhof. Der nächste Zug nach Susa fährt in wenigen Minuten. Also schnell Tickets für uns und die Räder am Automaten gekauft und ab in den Zug. In den Regionalzügen in Italien ist die Fahrradmitnahme in der Regel völlig unproblematisch. So bringt uns der Zug in einer knappen Stunde das Tal hinauf nach Susa, wo Claudia und Stefan uns bereits am Bahnhof erwarten.

Im Corona-Sommer 2020 hatten wir die beiden schon mal am Comer See getroffen, wo wir gemeinsam ein paar Starkregentage abgewettert haben. Wir freuen uns sehr über das unverhoffte Wiedersehen. Darauf erstmal noch einen weiteren Aperol Spritz.

Am Ferragosto-Wochenende ist laut booking.com das komplette Susa-Tal komplett ausgebucht, der Camping in Bussoleno ist keine Option. Da waren wir schon mal auf unserer ersten Westalpentour „Auf Schotterpisten durch die Westalpen“, in diese Siedlung aus Wohnwagen, die schon seit Jahrzehnten nicht mehr bewegt wurde, bringen mich keine zehn Pferde. Das ist aber auch nicht nötig, da Stuntzi als erfahrener Draußen-Schläfer schon eine abgelegene Kiesbank an der Doria Riparia als Übernachtungsplatz ausgeguckt hat. Da schließen wir uns gerne an. Also kaufen wir noch ein paar Vorräte für das Piratencamp am Fluss ein, bevor wir uns gemeinsam auf den Weg machen. Unterwegs fassen wir noch Trinkwasser an einem Brunnen. Während Stuntzi noch einem nahegelegenen Klettersteig einen Besuch abstattet, erkunden wir schon mal die Kiesbank. Perfekter Übernachtungsplatz mit Badeoption. Schließlich muss der Dreck vom Colle Lombarde abgewaschen werden. Wir genießen den gemeinsamen Abend mit den eingekauften Leckereien und in bester Gesellschaft. Bei Einbruch der Dämmerung schlagen wir das Zelt auf. So lässt es sich auch an Ferragosto aushalten!






















Geändert von lutz_ (24.02.23 11:35)
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www.bikefreaks.de