34. Tag (15.07.2015), Étang de Biguglia – Saint-Florent

Strecke: 52 km

Zeit: 3 Std. 39 min

Höhenmeter: 717


Heute schaffe ich es wieder, früh aufzustehen. Ich habe noch ein gestern unterwegs gekauftes Sandwich, das mir am Strand mit Ausblick auf das frühmorgendliche Bastia als Frühstück dient. Im Hafen kann man zwei der Fähren von Corsica Ferries erkennen.



Mir bleiben nun noch drei Fahrtage. Ich habe mich nun entschieden, die Fahrt um die Halbinsel Cap Corse im Uhrzeigersinn in Angriff zu nehmen und heute durchs Inland nach Saint-Florent zu fahren, um von dort aus an den dann verbleibenden zwei Tagen Cap Corse zu umrunden und dann von Bastia aus am nächsten Morgen die Fähre nach Nizza zu nehmen. Wenn man sich die Form der Insel als linke Faust mit ausgestrecktem Zeigefinger (Cap Corse) vorstellt, fahre ich heute sozusagen von Ost nach West über den Knöchel des Zeigefingers. Die Alternative wäre gewesen, von hier aus über Bastia zuerst entlang der Ostküste von Cap Corse nach Norden zu fahren, Cap Corse also entgegen dem Uhrzeigersinn zu umfahren, und anschließend entlang der Nordküste bis zu meinem Ankunftshafen L‘Île-Rousse zu fahren, um von dort die Fähre zu nehmen. Für den Endpunkt Bastia spricht jedoch letztendlich, dass die Route der Fähre von dort aus recht lange entlang der Küste verläuft, wovon ich mir schöne Ausblicke auf die Insel vom Meer aus verspreche.

Recht zeitig komme ich los.



Da ich ja nun am letzten Abend in Bastia sein werde, fahre ich heute gar nicht bis in die Stadt, sondern nur soweit nach Norden, dass ich den Étang de Biguglia nördlich umfahren kann.



Dann erreiche ich die von Bastia Richtung Süden verlaufende Nationalstraße (N 193), die hier, in den südlichen Ausläufern des Ballungsgebiets von Bastia, vierspurig ausgebaut und von hässlichen Gewerbegebieten gesäumt ist. Zeitweise stecke ich im Stau des Berufsverkehrs fest, teilweise gibt es mangels Seitenstreifen nicht mal die Möglichkeit, schiebend an der Blechlawine vorbeizukommen.



So bin ich froh, als ich schließlich ein paar Kilometer südlich die Abzweigung zur winzigen, kaum befahrenen D 62 finde, die mich, mit ordentlicher Steigung, wieder hinauf in die malerische Bergwelt führt.



Weiter oben verläuft die Straße durch eine beeindruckende Schlucht, das Défilé de Lancone.





Ich erreiche den Col de San Stefano auf einer Höhe von 368 m. Der direkte Weg hinunter zur Küste nach Saint-Florent wäre die D 82 über Oletta. Ich entscheide mich aber für die deutlich längere Strecke über die D 62, die sich landschaftlich reizvoll durchs Gebirge schlängelt. Die Route stellt sich als gute Wahl heraus; in ständigem Auf und Ab verläuft sie durch die herrliche Gebirgslandschaft und typisch korsische Gebirgsdörfer, in die sich wohl nur selten Touristen verirren (Rapale, Piève, Sorio, Santo-Pietro-di-Tenda).










Auf den Stufen vor einer Dorfkirche gönne ich mir ein typisch korsisches Picknick mit Wildschwein-Wurst und eine Flasche Pietra, dem korsischen Kastanienbier.



Weiter geht es auf und ab durch die atemberaubende Bergwelt, fast ohne Autoverkehr.









Natürlich gibt es auch heute wenigstens eine tierische Begegnung.





Nun gelingt es mir endlich, eine der zahlreichen Eidechsen, die ich schon so häufig habe über die Felsen flitzen sehen, fotografisch einzufangen; bisher haben sie nie lange genug stillgehalten.





Die Landschaft wird karger, ich komme nun durch die Ausläufer der Désert de Agriates, einer Wüstenlandschaft, die sich zwischen der Balagne und Saint-Florent erstreckt.



Ich treffe auf eine größere und verkehrsreichere Straße (D 81). Von hier bietet sich ein herrlicher Blick auf das Meer und mein heutiges Ziel, Saint-Florent.



Nach ca. fünf Kilometern Abfahrt ist der Ort erreicht. Saint-Florent ist ein bedeutender und recht belebter Tourismusort mit einer hübschen Altstadt, zahlreichen Restaurants, einem schönen langen Sandstrand und einem Jachthafen.









Entlang des Strands südwestlich des Ortes gibt es mehrere Campingplätze. Ich schlage auf einem von ihnen mein Zelt auf und genieße den restlichen Nachmittag am Strand und bade bei angenehmen Wassertemperaturen (das Wasser hätte nach meinem Geschmack ruhig ein paar Grad kälter sein können, wirklich erfrischend ist es bei der nach wie vor herrschenden Hitze nicht).



Abends gönne ich mir in der Altstadt von Saint-Florent ein leckeres Fischgericht.





Am späten Abend findet als perfekter Ausklang des Tages im Restaurant meines Campingplatzes eine „Soirée corse“, ein „korsischer Abend“ mit einem Auftritt einer korsischen Band statt, die korsischsprachige Lieder zum Besten gibt (Campa Qui). Die Musik erinnert mich an die Darbietungen, die ich auf dem Festival der „Chants polyphoniques“ in Calvi genossen habe. Die Gelegenheit, für 10 Euro eine CD der Gruppe zu erstehen, nutze ich gerne.

35. Tag (16.07.2015), Saint-Florent – Centuri-Port

Strecke: 55 km

Fahrzeit: 3 Std. 46 min

Höhenmeter: 745


Für die verbleibenden zwei Fahrtage steht nun die Umrundung der Halbinsel Cap Corse auf dem Programm, heute die Westküste, morgen die Ostküste. Auch heute schaffe ich es wieder, nicht viel später als um sechs Uhr aufzustehen, um vor der Mittagshitze möglichst weit zu kommen. Ich genieße den frühmorgendlichen Blick auf die Bucht von Saint-Florent.





Um kurz vor acht komme ich los.



Nördlich von Saint-Florent verläuft die Straße (D 81, dann D 80) zunächst ein Stück im Landesinneren durch das Weinanbaugebiet von Patrimonio, eines der bedeutendsten der Insel. Der korsische Wein (von unterschiedlicher Qualität) wird auf der Insel in jedem Laden und jedem Restaurant angeboten, die produzierte Menge reicht aber kaum für den Export, schon auf dem französischen Festland ist er eher selten zu bekommen, und außerhalb Frankreichs fast gar nicht.





Jetzt stößt die Straße wieder an die Küste. Ich habe einen herrlichen Blick zurück auf den Golf von Saint-Florent.



Die Straße verläuft oberhalb über der Küste, landschaftlich traumhaft, Richtung Norden. Während mir bisher auf Korsika nur vereinzelt Radreisende begegnet sind, sind sie hier, wie auch die Rennradler, deutlich zahlreicher; die Umrundung von Cap Corse ist gerade bei Radfahrern sehr beliebt; zu Recht. Es sind etliche Höhenmeter zu bewältigen; meist verläuft die Straße recht hoch entlang der steilen Küste, aber immer wieder fällt sie fast bis auf Meeresniveau ab. Die pittoresken Dörfer sind alle hoch oberhalb der Küste gelegen, Badestrände gibt es kaum. Entlang der Küste von Cap Corse stehen besonders viele der typischen Wachtürme aus genuesischer Zeit.







Das malerischste Dorf an der Westküste von Cap Corse ist Nonza auf einem Felsvorsprung hoch über dem Meer.



Auch Nonza wird von einem genuesischen Wachturm überragt.



Nördlich von Nonza wurde bis 1965 in großem Stil Asbestabbau betrieben, der ganz Frankreich mit dem Mineral versorgte, mit schwerwiegenden Folgen für die Umwelt und die Gesundheit der Bergarbeiter. Die auffällige graue Färbung des Strandes, auf den sich der Blick vom Genuesenturm aus eröffnet, hat aber wohl nichts damit zu tun.





Vor der Weiterfahrt esse ich auf der schattigen Terrasse eines sehr netten Cafés in Nonza zu Mittag.



Weiter geht die Fahrt auf der traumhaften Küstenstraße.



Diese eigentümlichen, exotisch wirkenden Pflanzen mit gelben Blüten sind mir die vergangenen Tage schon mehrfach aufgefallen, ich weiß aber nicht, wie sie heißen.





Auch im weiteren Verlauf führt die Straße mehrmals fast hinunter auf Meeresniveau, um dann wieder auf 150 oder gar 200 m anzusteigen. In der Nachmittagshitze sehr anstrengend, aber durch die grandiose Landschaft werde ich für die Mühen mehr als entschädigt.









Nach einem letzten langen Anstieg ins Dorf Morsiglia verlasse ich die D 80 und rolle auf einem kleinen Sträßchen hinab zur Küste nach Centuri-Port, das kurz vor der Nordspitze von Cap Corse gelegen ist.



Ein paar Kilometer vor dem Ort erreiche ich den Campingplatz, für den ich mich anhand meines Reiseführers für die Übernachtung entschieden habe.



Nach einem kurzen Fußmarsch erreicht man vom Campingplatz aus den Strand, der aber enttäuscht, da er aus groben Kieseln besteht, so dass das Bad im Meer nur um den Preis schmerzender Fußsohlen zu haben ist; zudem ist das Wasser auch nur hüfttief.



Zum Abendessen fahre ich vom Campingplatz die paar Kilometer nach Centuri-Port. Ich kann nur die Formulierung meines Reiseführers wiederholen: „Ein Fischerdorf wie aus dem Bilderbuch!“.





In einem der zahlreichen Fischrestaurants genieße ich ein leckeres Fischmenü. In den Aquarien der Restaurants harren die für die hiesige Fischerei typischen Langusten ihres kulinarischen Schicksals. Die Viecher haben, ohne Übertreibung, gut und gerne die Größe eines kleinen Dackels. Aus ihnen besteht auch die Suppe meines Menüs. Sehr lecker.



Fortsetzung folgt…