Re: Minsk- Tromsö / Teil 2: Helsinki und Russland

von: uwee

Re: Minsk- Tromsö / Teil 2: Helsinki und Russland - 21.08.15 10:49







Karelien, die Region, die wir nun durchfahren, liegt zwischen dem 60. nördlichen Breitengrad und dem Polarkreis. Weiter nach Norden schließt sich die Kola Halbinsel und Murmansk an.
Im Süden liegen der Onega See, an dem auch Kareliens Hauptstadt Petrosawodsk liegt, der Lagodasee und die Ostsee mit dem Finnischen Meerbusen. Nach Osten grenzt Karelien an das Weiße Meer. Westlich des russischen Teils liegen die finnischen Teile Südkarelien und Nordkarelien.
Über Jahrhunderte war das kaum besiedelte Gebiet zwischen Schweden, Finnland und Russland
umkämpft. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor Finnland große Teile Kareliens an Russland- noch immer ein nationales Trauma für die Finnen.
Schon für das Zarenreich war es ein beliebter Verbannungsort für unliebsame Personen. Unter Stalin entstanden hier die ersten Gulaps und hunderttausende politische Gefangene, Kriminelle und Kriegsgefangene verloren in den zahlreichen Lagern ihr Leben.
Praktisch ganz Karelien ist bedeckt mit Wäldern. Es gibt wenige Siedlungen, wenig Industrie und auch keine nennenswerte Landwirtschaft.
Sieben Prozent der 200.000 qkm sind mit Wasser bedeckt. Vom kleinen Tümpel bis zu riesigen Seen. Ein Chiemsee würde es hier nicht in die Top 100 schaffen.
Es soll eine reiche Tierwelt geben. Davon sieht man aber meist nichts oder doch sehr wenig.
Mitunter fahren wir mehr als 100 Kilometer ohne ein Restaurant, Unterkunft oder Versorgungsmöglichkeit. Nur wenige Straßen sind asphaltiert. Abseits der Hauptachse Sankt Petersburg- Murmansk fährt man auf Naturstraßen.
Manche lassen sich gut befahren- viele aber auch nicht...















Der Bär ist allgegenwärtig.
Das hierzulande fast unbekannte Karelien ist das größte Waldgebiet Europas, und gilt als dessen grüne Lunge.
Zudem weist es den größten Bestand an Braunbären an. Besonders in Mittelkarelien leben nach Schätzungen etwa 200 Bären je 1000 qkm. Das ist einer auf 5 qkm. Es ist also stets einer in der Nähe.




Eigentlich ein wunderschöner Zeltplatz. Doch nun beginnt das Land der Mücken. Wie bei jedem unserer fünf Besuche im Hohen Norden versichern uns die Einheimischen so schlimm wie in diesem Jahr sei es noch nie gewesen.
Von vielen überzeugten Nordlandreisenden hört man: "Ist doch gar nicht so schlimm." und
"Da gewöhnt man sich dran."
Es ist schlimm!
Und wir gewöhnen uns nie dran!
Auch wenn Autan und ähnliche Mittel die Viecher kurze Zeit auf kurze Distanz halten.
Wohl fühlt man sich erst im Zelt hinter dem Mückennetz.










Noch um Mitternacht schwitzen wir bei 25°C im Zelt.






Am nächsten Morgen Dauerregen bei 8°C und mehr als 100 km kein Cafe, Restaurant oder Laden. Im Regen die erste Reifenpanne.




Durchgefroren freuen wir uns auf die erst nach 120km erwartete Sadt.
10km vor der Stadtgrenze die nächste Panne.
Gleiche Stelle.
Es zeigt sich, dass die Bremse nach einem Sturz an der Wand des Reifens geschliffen und den Mantel zerstört hatte.
Ausnahmsweise haben wir für diesen Urlaub auf einen Ersatzmantel verzichtet.
Die provisorische Reparatur hält bis zwei Kilometer vor das Ziel. Den Rest darf ich im weiterhin strömenden Regen schieben.
Um neun Uhr abends finden wir das scheußliche nichtsdesto Trotz teure Hotel.
Die Anmeldung geht hier so schnell von statten wie der Ticketkauf am Bahnhof von St. Petersburg.
Zwei Leute sind vor uns.
Wir brauchen ein einhalb Stunden. Frierend in nassen Klamotten.
Restaurants alle geschlossen.
Im Laden gibt es Bier nur bis 23:00 Uhr.
Es ist 23:03 Uhr.
Hole mir eine böse Zerrung im Unterschenkel und komme kaum hoch in den 3. Stock- Aufzug gibt es keinen.
Es gab schon bessere Tage.





Unser romantisches Hotel in Medvezhya Gora






Die Highlights der Stadt.













Am nächsten Morgen kann ich der Zerrung wegen kaum laufen.
Ein netter junger Mann sieht uns zu bei unseren Reparaturversuchen und bietet seine Hilfe an.
In seinem Kofferraum liegt ein Cannondale Rad. Sein Werkzeug reicht für einen mittelgroßen Radladen, und er bringt mich in ein von außen nicht als Bikeshop zu erkennendes Gebäude, wo ich sogar einen neuen Mantel kaufen kann. Er repariert, pumpt auf und verabschiedet sich mit freundlichen Worten.

Medvezhya Gora liegt am Nordende des Onega Sees. Radeln geht besser als Laufen. So schauen wir uns ein wenig die Umgebung an und finden tatsächlich eine Ferienanlage mit dem besten Restaurant des gesamten Russlandurlaubs.
Zufälliger weise treffen wir hier unseren freundlichen Helfer wieder und eigentlich auch bei jeder Fahrt durch die Stadt.

























Ich brauche ein paar Tage Ruhe- aber nicht in dem hässlichen Hotel. Bei Booking.com finden wir ein hübsches- allerdings 200km entfernt. So weit kann ich noch nicht radeln. So nehmen wir mal wieder den Zug.
Sicherheitshalber kaufen wir gleich auch Tickets für die Räder für den Gepäckwagen.





Der wunderschöne Holzbahnhof des Ortes.
Zufälligerweise findet sich auch der freundliche Helfer wieder ein. Und schenkt Isabel ein orthodoxes Kreuz als Kettenanhänger.
Ich weiß bis heute nicht, ob er ein Mitarbeiter des Geheimdienstes ist oder einfach nur verliebt in Isbel, was ich natürlich bestens verstehen könnte.
















Helfen tun uns die Tickets für die Räder leider gar nicht. Die Matrone an Zugchefin besteht darauf, dass wir die Räder zerlegen. Größe Schuhkarton. Unser Gepäck ist ein paar hundert Meter weiter hinten in einem Waggon. Der Zug fährt gleich ab und versperrt mit ihrem massigen Körper den Eingang.
Ich schreie sie an, schiebe sie zur Seite. Kein leichtes Unterfangen, bei Ihrem Gewicht und trage die Räder in den Waggon. Sie ist sprachlos. Der Zug fährt los- wie immer in Russland auf die Minute pünktlich. Die anderen Schaffner grinsen. Beliebt scheint die Chefin nicht zu sein.
Glück gehabt. Das hätte auch anders ausgehen können.






















Ein Geschäft auf dem Lande. Zwei Drittel der Ladenfläche machen Alkoholika aus.
Es gibt aber trotzdem alles, auch Telefonkarten. Und überall kann mit Kreditkarte bezahlt werden.





Es sind nur 40 km bis zum ausgewählten Hotel. Da wollen wir aber erst morgen sein und heute im Zelt schlafen.





An allen Waldwegen wird vor Bären gewarnt.





Konnten wir leider nicht lesen.














Und plötzlich steht einer da und lässt sich sogar noch fotografiern.
Isabel ist besorgt.
Ich versichere ihr, dass sie hier so stark bejagt werden und dass sie daher menschenscheu sind.



















Wir schlafen im Wald. Freie Flächen gibt es keine.
Es ist sehr angenehm nie auf die Uhrzeit achten zu müssen. Selbst um Mitternacht ist es ja noch hell.
Und so lange man auf dem Rad ist stören auch keine Mücken.
Im Wald dagegen schon.































Bau eines Holzhauses













Gibts als Bausatz. Jeder Balken nummeriert.







Dieses Jahr dauert die Fliederblüte sehr lang. Kaum war er daheim verblüht kommen wir pünktlich zur Fliederblüte nach Minsk und folgen ihr seither bis hierhin.






Mittlerweile ist es der 7.Juli


















Unser Haus besitzt vier Schlafräume.
Wir sind ganze Zeit die einzigen Gäste.
Booking.com: "Schnell buchen. Wir haben nur noch drei Zimmer."

























Unsere Sauna






mit Boot und Steg

























Auch an diesem idyllischen Ort wurden zur Stalinzeit viele Gefangene zu Tode gequält.











Das Angeln war nicht sehr erfolgreich. Die ansässige Fischfabrik fischt den See leer.
Durch die Abfälle der Fischfabrik werden viele Bären angelockt.
Wir sollen äußerst vorsichtig sein und bloß nicht alleine in den Wald gehen, warnen uns die Einheimischen eindringlich
Die Bären hier wären sehr agressiv und es gäbe jedes Jahr zahlreiche Übergriffe.
Vielleicht glaubt mir Isabel nicht mehr alles...

Sicherheitshalber erkundige ich mich bei Bärenexperten.

Bärenexperte gesucht





Das ist peinlich. Der darf wieder rein.












Die Wade erholt sich langsam.
Bald kann es weiter gehen nach Murmansk.
Hoffentlich hört bis dahin der Regen auf.







davon später





.