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#1132503 - 27.05.15 17:15 Vom Rum zu Nolde bis zu den Störchen
Der Wolfgang
Gewerblicher Teilnehmer Übernachtungsnetzwerk
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 894
Dauer:3 Tage
Zeitraum:23.5.2015 bis 25.5.2015
Entfernung:0 Kilometer
Bereiste Länder:deDeutschland

Erstaunlich wieviel man so für drei Tage Radtour schreiben kann. Bevor es zuviel wird, mache ich mal drei Happen daraus und serviere sie in den nächsten Tagen.

Flensburg mit seiner schmucken Innenstadt, den kleinen Seitengassen und am Hafen die Museumswerft, sind mir von vielen anderen Besuchen reichlich bekannt und geschätzt. So kann der Besuch heute ausfallen. Los geht’s direkt vom Bahnhof aus, am Hafen vorbei. Die Häuser im Hafenviertel könnten mit Sicherheit einige spannenden Geschichten aus vergangener Zeit erzählen. Zeiten, wo der Hauptzweck von Häfen der Warenumschlag war, Zeiten von seemännisch robuster Gesellschaft aus aller Herren Länder, Zeiten wo Häfen alles andere nur keine Flaniermeilen waren. Ein bisschen vom Charme vergangener Zeit ist noch zu erkennen. Die Hafenstraße hat, wie es Makler zu sagen pflegen, noch Entwicklungspotential.



Zum ersten Mal verlasse ich Flensburg in Richtung Dänemark. Rechts und links der Straße stehen alte und neue Industriegebäude. Auch sie sind Zeugen einer Zeit, als der Seehandel, Fischerei und das besondere Gewerbe für Seeleute und andere Nutzer des rot belichteten Bezirks, noch einen erheblichen Teil zum Wohlergehen der Stadt beigetragen haben. Vieles wirkt eher abweisend, einiges erzählt Bruchstücke einer lebhaften Vergangenheit, Anderes fällt gerade den Stadtplanern zu Opfer.



Ein Stück weit will ich noch der original Grenzroute folgen, dann, so ist der Plan, soll es ab der dänischen Grenze möglichst ohne Umwege auf die Route Nr. 8 gehen. Vorerst aber, überrascht ein besonders schöner Ausblick auf die Flensburger Förde. Voraus liegt ein Strand und dahinter kräuselt sich die Ostsee in dunkel-, mittel, himmelblauer Schattierung. Der Wind und die Sonne haben Scharen von Seglern auf das Wasser gelockt. Hunderte kleiner weißer Zipfel sind am Horizont auszumachen. Ein Meer von Segeln, zu weit entfernt um sie zu fotografieren.

Vor der dänischen Grenze stehen einige Autos, mit dem Kennzeichen des Nachbarlandes, vor einem Supermarkt. Papa reicht palettenweise das Bier an Kinder weiter, die es der Mutter zum Stapeln im Auto übergeben. Alkohol ist teuer in Skandinavien und hier liegt das Paradies so nah. Kaum ist die Grenze überquert, wartet schon das nächste Paradies. Diesmal auf die Fahrzeuge mit deutschen Kennzeichen. Hier muss nicht die ganze Familie mithelfen. Diskretion ist eher gefragt, beim Eintritt in die Häuser des horizontalen Gewerbes. Nachdem ich diese wunderbaren Beispiele europäischer Annäherung, hinter mir gelassen habe, wird es schlagartig ruhiger. Vorbei an kleinen Einfamilienhäusern, wellt sich die Straße vor sich hin.

Die Abkürzung führt mich durch ein neues Gewerbegebiet, das architektonisch so spannend ist wie das Testbild der ARD. Das wird wohl gleich hinter der Autobahnunterführung aufhören. So sieht es auf jeden Fall auf der Karte aus. Die Autobahn kommt näher, ist direkt vor mir. Wo ist die Unterführung? Nicht da! Bitte einmal umschalten auf den ich mache ein dummes Gesicht Modus. Der Modus kann gleich wieder abgeschaltet werden, da sich nach links ein Weg eröffnet, der, allem Anschein nach, nach ca. 100 Metern unter der Autobahn verschwindet. Der mutige wird belohnt. Tatsächlich führt der Weg entlang den Bahngleisen unter der Autobahn durch. Noch 300 Meter weiter und ich kann links auf meine geplante Route abbiegen. Doch was ist nach dem Abbiegen. Modus saublödes Gesicht einschalten und noch dümmer aus der Wäsche gucken. Genau die Bahngleise, die dem Weg unter der Autobahn durch Platz geschaffen haben, diese Bahngleise sind nun das endgültige Ende meines Weges. Mit einem hohen Zaun gegen Überläufer gesichert, ist es hier absolut zu Ende. So eine …..!! Wie gut, dass der Rückweg noch nicht versperrt ist.



Vor dem Museumsgelände des ehemaligen Internierungslager Frøslev, treffe ich die ersten und auch die letzten Reiseradler die, außer mir, den Grenzweg fahren. Die Gepäckträger des jungen Pärchens, müssen einiges an Last tragen. Während meine Taschen noch mit zusätzlicher Luft gefühlt werden müssen damit sie in Form sind, sind deren Taschen bis oben ausgebeult und ganz oben drauf, liegt quer eine weitere, voluminöse Tasche. Das Museum ist ein letzter Teil der kriegerischen deutsch dänischen Geschichte. Hier wurden dänische Kriegsgefangene zu Zeiten der Naziherrschaft untergebracht. Während ich noch am Fotografieren bin, rollen die beiden Reiseradler, mit ihren vollgepackten Rädern aus dem Museum heraus. Wir winken uns noch zu und dann verschwinden sie hinter dem Zaun.



Nach dem letzten Foto, setze auch ich mich aufs Rad und fahre wieder los. Keine hundert Meter hinter dem Museum treffe ich schon wieder auf die beiden Radler. Sie hat ihre Brille verloren und sammelt sie gerade vom Boden auf. Ich überhole sie wieder und von nun an, bin ich fast alleine unterwegs. Die Landschaft wird immer flacher bis es flacher nicht mehr geht. Noch eimal biege ich bei Sofiedal links ab, dann streckt sich das Sträßchen geradeaus in die Ferne. Der Wind macht die Fahrt durch die Felder nicht aufregender aber beschwerlicher als mir lieb ist. Lieb ist mir auf diesen Strecken besonders mein Rennlenker. Am Unterlenker angefasst, lassen sich die Kilometer unter dem Wind durch abspulen. Wiese, Feld, Feld, Wiese, Hof, Wiese, Feld. Das ist der Rhythmus. Eine alte Radlerweisheit geht mir durch den Kopf: siehst du die Windräder von hinten, musst du gegen den Wind anstinken. Alle Windräder drehen mir den Hintern zu.



Selbst mitten im Nichts, gab es vor noch nicht allzu langer Zeit noch eine richtige Grenze. Ein Schlagbaum und für jede Nation ein Grenzhäuschen stehen hier einsam im Land. Leben ist nur im Laden keine 500 Meter weiter. Der Alkohol und die Preise unserer Nachbarn, kurbeln hier den Umsatz an.

In Ladelund ist es dann endlich geschafft. Die Luft verlässt meinen Hinterreifen, direkt vor Jenni Nissens Pension. Jenni Nissen hat ihr feines Reetdachhaus Bett+Bike zertifizieren lassen und ich bin der Regionalmanger für Schleswig-Holstein und Hamburg. Während ich mich mit dem Hinterrad vergnüge, kommt Frau Nissen heraus und schaut nach dem Rechten. So lernen uns auf diese recht ungewöhnliche Weise kennen.



Auch in Ladelund hat es noch Spuren des dritten Reiches. Gefangene mussten hier einen Graben ausschaufeln um das niedergehende Reich vor der Invasion aus dem Norden zu schützen. Die Verzweiflungstat der Nazis, um den schon längst verlorenen Krieg ein paar Tage länger durchzustehen, hat nochmals rund 300 Menschen das Leben gekostet.

Zwischen den Feldern und Knicks des nördlichsten Nordfrieslands, liegen beschauliche Dörfer mit den landestypischen Rettdachhäusern. Außer mir sind nur ein paar alte Menschen auf den Straßen zu sehen. Alles Jüngere, fährt am Wochenende dorthin wo es mehr zu erleben gibt.



In der Jugendherberge in Niebüll bekomme ich ein Zimmer im Haus vier. Der Zugang ist über Haus drei, oder auch Haus fünf. Das verwirrt mich anfangs etwas, doch beim lässt sich erkennen, dass die drei Häuser miteinander verbunden sind, und der Eingang über die beiden außenliegenden Häuser erfolgt. Raffiniert gemacht. Während des Tagebuch Schreibens, höre ich ab und an nach draußen um irgendwann festzustellen, dass ich nichts höre wenn der Wind sich nicht regt. Beste Voraussetzungen, für einen tiefen Schlaf.
Mit frischen Grüßen aus der Bucht - Wolfgang
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#1132541 - 27.05.15 18:48 Re: Vom Rum zu Nolde bis zu den Störchen [Re: Der Wolfgang]
Keine Ahnung
Moderator
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Beiträge: 12.931
Tatsächlich kann man auch in kurzer Zeit schöne Radtouren machen. Ich freue mich schon auf die anderen Teile. Da Du bei den bereisten Ländern lediglich Deutschland aufgezählt hast, war ich zunächst etwas überrascht, auf den Bildern Dinge zu entdecken, die - wie der Text ja bestätigt - eher außerhalb Deutschlands einzuordnen sind zwinker .
Gruß, Arnulf

"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot)
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#1132554 - 27.05.15 19:09 Re: Vom Rum zu Nolde bis zu den Störchen [Re: Keine Ahnung]
Der Wolfgang
Gewerblicher Teilnehmer Übernachtungsnetzwerk
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 894
Ok, ich gestehe. Dänemark ist nicht mehr in Deutschland. War aber sehr entspannend dort.
Mit frischen Grüßen aus der Bucht - Wolfgang
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#1133092 - 30.05.15 10:46 2.Tag: Vom Rum zu Nolde bis zu den Störchen [Re: Der Wolfgang]
Der Wolfgang
Gewerblicher Teilnehmer Übernachtungsnetzwerk
Themenersteller
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Beiträge: 894
2. Tag: Von der Nolde- in die Stormstadt!



In Niebüll sind am Sonntagmorgen die Gehwege noch hochgeklappt. Nur vereinzelt huscht eine Gestalt mit einer Brötchentüte durch die Straßen und ein einsamer Radler verlässt die freundliche Stadt gen Westen. Direkt hinter dem Ortsschild wird die Landschaft noch entspannter als sie am Vortag schon war. Von oben auf dem Deich radelnd, hat man den freien Blick über endlose Weiten der Kööge. Die Köge, durch die ich in der nächsten Zeit fahren werde, wurden dem Meer Koog für Koog abgerungen. Das Land ist fruchtbar und vor dem Bau der Deiche war es manchmal auch furchtbar. Aber doch so attraktiv, dass sich der Wettstreit mit dem Meer gelohnt hat.



Dann ist die Nordsee erreicht. Noch kann ich sie nicht sehen, ein noch größerer Deich versperrt den Blick auf das Wasser. Was allerdings zu sehen ist, ist jede Menge Plastikmüll am Deichfuß. Eines der Schaffe hat seinen Kopf tief in einen Eimer gesteckt, als würde es dort nach Essbaren suchen. Der Westwind weht die menschlichen Hinterlassenschaften über den Deich und dort bleibt er im Windschatten liegen. Hier wird ein kleiner Teil dessen sichtbar, was unsere Meere zu tausenden Tonnen belastet.



Am Fähranleger Schlüttsiel geht es dann endlich über den Deich und hier sollte sich der Blick auf das Meer eröffnen. Doch was ist das? Das Wasser ist weg. Zurückgezogen um an anderer Stelle die Flut zu organisieren. Scheinbar reicht das Wasser nicht für das gesamte Meer. Deshalb wechselt es alle sechs Stunden zu einem anderen Ufer.

Hinter dem Deich verläuft Europas längster Fernradweg, die North Sea Cycle Route (NSCR). Regelmäßig Tore die zu durchqueren sind, verlangen nach einem gewissen Geschick des Durchfädelns. Verriegelung mit dem Daumen anlupfen, mit den restlichen Fingern Tor gegen den Widerstand öffnen, Tor aufhalten und mit dem Rad zwischen den Beinen durchschlupfen. Dabei den Tor öffnenden Arm nach hinten drehen und Tor so lange wie geht offen halten und wenn die Armlänge erschöpft ist, schnell den Rest des Rades durchschuppsen, bevor das Tor zuschlägt. Die Tore sind erforderlich um die bevölkerungsstärkste Ethnie der nordfriesischen Küstenbewohner, das wollige Deichschaf, an der Rudelbildung zu hindern. Die Schafe sind auch der Grund, warum man bei Regenwetter die Wege am Deich meiden sollte, erst recht wenn, wie bei vielen modernen Rädern, keine Schutzbleche montiert sind. Berge von Schafsch… säumt den Weg, die im aufgeweichten Zustand sich überall an Rad, Taschen und Schuhen verteilt. Spätesten wenn es wärmer wird, riecht jeder wo der Radfahrer zuvor gewesen ist.



Eine Karawane von Rad- und Autofahrern strömt auf dem Fahrweg weit hinein ins Watt, der Hamburger Hallig entgegen. Bis zur Infostation des NABU, reihe ich mich in den Tross ein. Während sich alles was Räder hat weiterbewegt, biege ich die 50 Meter vom Weg ab um die Infostation des NABU zu besuchen. 50 Meter die reichen, um fast wieder alleine zu sein. Vor der Terrasse sitzt eine junge Frau, die hier ehrenamtlich ihre Freizeit verbringt. Neben dem Vögel zählen und Beobachten, ist sie hier um Interessierte über die Natur zu informieren. Nach kurzer Begrüßung setze ich mich auch vor die Terrasse auf einen Stuhl und wir beide schauen einfach nur ins Land hinein. Trotz des nicht enden wollenden Zuges an Menschen, die Richtung Hamburger Hallig unterwegs sind, bleiben wir lange alleine sitzen.

Zurück auf dem Festland besuche ich noch das Amsinck Haus. Auch hier gibt es reichlich Infos zum Watt, zu den Kögen, Land und Menschen. Während draußen der Bär tobt, habe ich auch diese Ausstellung für mich alleine.

In Husum wartet eine Freundin mit einer Tasse Kaffee auf mich. Der Gedanke an das braune Getränk und die dazu gereichten Leckereien, beschleunigen das Fahrrad auf wundersame Weise. Bis, kurz vor Erreichen der bunten Stadt am Meer, beim Betätigen des Schalthebels eine Fehlermeldung an das Gehirn gesendet wird. Während sich der Schalthebel mit einem Ruck fast widerstandlos weiterbewegt. Bewegt sich die Kette ganz von alleine von einem Ritzel auf das nächste. Immer einen Gang schwerer. Verdammte ..., so ein …. und viele andere böse Wörter verlassen die Mundhöhle. Der Schaltzug ist gerissen. Ok, ich nehme es wie es kommt. Bei der bevorstehenden Tasse Kaffee wird mir schon etwas einfallen.

Bei Martina gibt es dann aber erst mal den ersehnten Kaffee, mit einer extra Portion Eis. Wir beratschlagen uns nach Möglichkeiten, am Sonntag in Husum einen Schaltzug zu kaufen. Im Sommer kann man in vielen Städten Schleswig-Holstein zwar einkaufen, doch vorwiegend machen nur die größeren Geschäfte auf. Dort wo der Inhaber selbst jeden Tag an der Theke steht, ist meist geschlossen. So wie bei den meisten Radläden. Viel zu kurz ist wieder mal die Zeit, um sich, über all das was im letzten Jahr geschehen ist, mal wieder richtig auszutauschen. So verabschieden wir uns auch, ohne eine Lösung für mein Problem gefunden zu haben. Wenn nichts hilft, soll es die Bahn richten und die Tour muss in Husum enden. Das wäre sehr schade.

Auf dem Weg zum Bahnhof, reift der Gedanke doch noch bis Tönning zu fahren. Wenn ich das Schaltwerk an den Einstellschrauben etwas verstelle, so dass die Kette auf einem etwas größeren Ritzel liegt, dann dürften die letzten 25 Kilometer nicht besonders angenehm, aber auch nicht zu anstrengend werden. Heinz Helfgen hatte bei seiner Weltumradlung in der 50ern, auch nur ein Fahrrad mit einem Gang. Doch so weit wird es nicht kommen. Am Bahnhof gibt es doch die Radstation, meinen Ex-Arbeitgeber. Es ist tatsächlich geöffnet und einen Schaltzug samt Werkzeug zum Reparieren bekomme ich von der freundlichen Mitarbeiterin auch.



Doch kaum macht sich die Freude über glückliche Lösung breit, steht auch schon die nächste Herausforderung an. Der abgerissene Nippel des Zuges, hat sich in der Mechanik verklemmt und blockiert die Schaltung. Mehr als drei Gänge lassen sich nicht schalten und das Loch zum Einfädeln des neuen Zuges, bleibt somit in unerreichbaren Tiefen verborgen. Immer wieder versuche ich an das entscheidende Loch heran zu kommen. Mit kleinsten Schraubenziehern, teilweise zerlegen, drei Gänge rauf, drei Gänge runter schalten. Es regt sich nichts. Mein Kopf spielt schon mal en Gedanken der Zugfahrt durch. Durch die Reparatur ist der geplante Zug schon weg und bis zum Nächsten ist noch viel Zeit. Zeit um es weiter zu versuchen. Irgendwann, aus heiterem Himmel lässt sich der plötzlich Hebel weiter bewegen, Gang für Gang lässt er sich schalten bis das ersehnte Loch in Sicht kommt und damit auch der abgerissene Nippel. Jetzt ist es schnell geschehen. Innerhalb von zehn Minuten verabschieden sich Rad und Fahrer Richtung Tönning.

Wie schön ist es doch, wenn das Rad funktioniert. Ich rolle locker am Rande der Halbinsel Eiderstedt, durch kleine und kleinste Dörfer wie Witzwort und Oldenswort. Nur Kotzenbüll lasse ich links liegen. Nein nicht wegen seines Namens, es liegt einfach nicht auf der Strecke. Mit Wind von der Seite und hinten, ist die Jugendherberge in Tönning, dann auch bald erreicht. Das Bett+Bike Siegel zeichnet die Jugendherberge als besonders fahrradfreundlich aus. Rita und Jochen Jessen, die beiden Herbergseltern, sind es auch. Mehr noch, statt nur Radfahrer freundlich aufzunehmen, locken die Beiden sie noch mit einem besonderen Angebot an. Vom 26.- 28.06.15 treffen sich hier Fahrer von Velomobilen und Liegerädern.



Nachdem das Zimmer mit Dusche in Beschlag genommen ist, verbreitet sich auch wieder meine übliche Unordnung. Wie gewohnt, schafft es der Inhalt meiner Taschen, sich in kürzester Zeit durch das Zimmer zu verteilen. Sei`s drum, morgen krieg ich euch alle wieder und ihr werdet in den Sack gestopft.



Mittlerweile ist es fast windstill geworden. Die Boote im Hafen, spiegeln sich auf dem Wasser und die Sonne taucht die alten Backsteinhäuser in ein warmes Licht. Auch in Tönning hat der Hafen seine alte Bedeutung verloren. Zum wohl der Gäste, deren Nasen anstelle von Fisch und Schweröl, frische Luft atmen können. Durch die schmalen Gassen, erreiche ich den Marktplatz. Umringt von den alten Backsteingiebeln, in der warmen Abendsonne sitzend, würde die Pizza jetzt noch besser schmecken. Die Giebel sind da, nur die Wärme lässt leider noch auf sich warten. So lasse ich es mir halt drinnen schmecken.

ich hoffe Ihr hattet etwas Spaß beim lesen. Demnächst folgt der dritte Tag.

Mit frischen Grüßen aus der Sonnenbucht

Wolfgang
Mit frischen Grüßen aus der Bucht - Wolfgang
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#1133781 - 02.06.15 11:34 Re: 3.Tag: Vom Rum zu Nolde bis zu den Störchen [Re: Der Wolfgang]
Der Wolfgang
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abwesend abwesend
Beiträge: 894
Nun ist es geschafft. Der letzte Reisetag ist geschrieben. Ich hoffe Ihr habt Spaß beim Lesen.

Von Tönning in die Sonnenbucht

Das Wetter fällt heute aus. Draußen ist es grau und die kleinen Pfützen vor dem Fenster, zeugen von leicht erhöhter Luftfeuchtigkeit, auch Regen genannt. Bei diesen Aussichten, fällt es nicht schwer, das Frühstück noch etwas zu verlängern. Zur Abfahrt treffe ich zwei Radler wieder, denen ich gestern auch schon begegnet bin. Sie saßen auch im Frühstücksraum, ohne Rad-Dress waren sie nicht wieder zu erkennen. Jetzt, mit den Radklamotten und den Fahrrädern zusammen, kommen sie mir wieder bekannt vor. Die beiden wollen weiter nach Brunsbüttel, mein Weg wird sich jetzt nach Osten wenden um ein weiteres Mal Schleswig-Holstein zu queren. Gemeinsam spinnen wir noch ein bisschen Radlerlatein, dann fahren wir unserer Wege.





Für ein langes Wochenende ist es noch recht ruhig in Friedrichstadt. Hin und wieder kommt ein Schwarm, meist Personen im weiter fortgeschrittenen Alter, herbei geströmt. Immer eine Busladung voll. Meist werden die Busreisenden erst zur Bootsfahrt durch die Kanäle der Stadt gebracht, danach ist dann freier Ausgang angesagt. Als Fotograf ist die Innenstadt mit ihren liebevoll gepflegten Holländer Häusern eigentlich ein Juwel. Wenn da nicht so viele parkende Autos wären. Eine Bereicherung für die stimmungsvolle Atmosphäre sind sie nicht wirklich.



Einige Bilder und einen Kaffee später, verlasse ich über das historische Pflaster hoppelnd, das gemütliche Städtchen. Aus dem platten Marschland, geht es jetzt auf die Geestausläufer. Geest, das ist der Sand, den die schmelzenden Gletscher der letzten Eiszeit hierher geschwemmt haben.



Einfach dargestellt, teilt sich Schleswig-Holstein in drei Regionen auf. Zur Ostsee hin haben die Gletscher der Eiszeit die Steine geschoben, in der Mitte ist ein Streifen Sand hin geschwemmt worden und zur Nordsee hat sich der Matsch aus dem Watt breit gemacht. Gut 20.000 Jahre Zeit und ein bisschen Einfluss durch den Menschen, haben die heutige Landschaft daraus geformt.



Diese Sandhügel haben hier das Stapelholmer Land hervorgebracht. Zwischen den Feldern, gesellen sich jetzt einige kleine Nadelwälder. Das Auge verliert sich nicht mehr im fast endlosen Horizont der Marsch, die Luft ist Trockner und würziger. Es ist schon erstaunlich, was das bisschen Veränderung in der Landschaft ausmacht.



In Süderstapel verlasse ich wieder den Geestrücken. Steil, aber kurz geht es zur Eider hinunter. Die Gemeinde hat sich hier ins Zeug gelegt und eine schöne Badestalle mit Hütte, Grillplatz und andern Nettigkeiten eingerichtet. Die Eider ist sich nicht so ganz klar darüber, wo sie hin möchte. Windung für Windung schlängelt er sich durch Land. Ganz im Gegensatz zur alten Bahntrasse. Schnurgerade zieht sich durch die Ebene. Das Fahren auf der Trasse fühlt sich schon fast wie mit dem ICE an. Die Oberfläche ist schön glatt und der Wind schiebt ordentlich von hinten.



Kurz nach dem Queren der B 202 wird es dann richtig einsam. Über die Betonplatten hoppelnd, bin ich bis auf ein zwei Kühen allein hier draußen. Aufgeschreckt durch den Radfahrer in ihrem Zuhause, flattert eine Ente laut schnatternd, quer über den Weg. Ich bin nun wieder wach. Danke Ente. Nach diesem kurzen Zwischenspiel des Federviehs, ist es auch schon wieder still um mich herum.



Nach Bergenhusen muss man wieder auf den Geestrücken hoch. Der Ort ist bekannt für seine außerordentlich hohe Storchenpopulation. In der Saison, sollen alle 20 Nester von den Vögeln belegt sein. Bergenhusen ist dann ausgebucht. Zumindest für die Störche. Heute sind sie auch da. Ziehen ihre Kreise über das Dorf oder strecken sich nach dem Mittagsschlaf hoch oben in ihren Nestern. Vor einem Jahr sollten die Störche ein Highlight für meine Tochter sein. Doch da war hier nichts los. Alle ausgeflogen, mit den Kindern die Umgebung erkunden oder schon auf dem Weg in den Süden.



Hinter dem Dorf zieht ein Bauer mit Trecker und Mähwerk seine Bahnen über die Wiese. Für die Störche ist das wie eine Art Fastfood. Der Deckung beraubt oder schon vorgehäckselt, liegen die Beutetiere wie auf der Silberplatte angerichtet, vor den gelben Füßen der Langschnäbel. Diese müssen dann nur noch die Happen aufsammeln und in die Kinderstube bringen.



Von Kropp bis nach Hause, fahre ich jetzt nur noch, weil die Bahnverbindungen so bescheiden sind. Damit es nicht ganz so langweilig an der Landstraße entlang geht, streue ich auf dem Rückweg noch einige Erhebungen durch die Hüttener Berge ein. Der kleine See, versteckt im Wald gelegen, ist mein Geheimtipp für den Sommer. Jetzt ist es zu frisch und die Freude verlagert sich auf eine Tasse Tee zu Hause auf dem Sofa.

Bis zum nächsten Mal

Wolfgang

Mit frischen Grüßen aus der Bucht - Wolfgang
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Geändert von mooselem (02.06.15 11:35)
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#1140102 - 28.06.15 06:00 Re: 3.Tag: Vom Rum zu Nolde bis zu den Störchen [Re: Der Wolfgang]
bikehaha
Mitglied Übernachtungsnetzwerk
abwesend abwesend
Beiträge: 214
Hallo 'moooselem',

danke für deinen schönen Bericht. Er sagt mir wieder einmal, dass man nicht werweisswohin fliegen muss, um eine schöne Reise zu machen. Diese ganze Fliegerei in alle Welt konterkarikiert doch den eigentlichen Vorzug des Radreisens: nämlich sich aus eigener Kraft, und nicht durch Verschleiss endlicher Resourcen, in der Welt umzusehen.

Manchmal wartet das Glück hinter der nächsten Ecke!

Viele Grüße Horst-H.
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#1140504 - 30.06.15 04:29 Re: 3.Tag: Vom Rum zu Nolde bis zu den Störchen [Re: bikehaha]
Der Wolfgang
Gewerblicher Teilnehmer Übernachtungsnetzwerk
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 894
Hallo Horst,

meist reicht es tatsächlich für die „kleinen“ Abenteuer, wenn man sich einfach mal zwei Tage Zeit nimmt und über seinen üblichen Dunstkreis hinaus fährt. Das was man dazu braucht, passt in zwei kleine Taschen und die Kosten für ein oder zwei Nächte in einer Jugendherberge oder kleinen Pension sind überschaubar. Spätestens wenn man an dem Ortschild vorbei fährt, was sonst den Wendepunkt einer Tagestour markiert, kommt das große Unbekannte. Auch wenn man die Gegend aus der Perspektive hinter der Windschutzscheibe kennt, riecht und schmeckt es auf dem Rad wieder ganz anders.

Mit frischen Grüßen von der Sonnenküste

Wolfgang
Mit frischen Grüßen aus der Bucht - Wolfgang
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