Re: Zukunft der Fahrradteile: Wo geht es lang?

von: cterres

Re: Zukunft der Fahrradteile: Wo geht es lang? - 15.10.17 09:39

Ich erlebe seit einigen Monaten, was die vergangenen Jahrzehnte an Fahrradtechnik hervor gebracht haben. Das geschieht als Mithelfer in einem Zweiradprojekt, durch das in der Stadt „vergessene“ Fahrräder eingesammelt und entweder verschrottet oder neu aufgebaut werden.
Rennräder oder Fahrradtechnik der letzten zehn Jahre kommt dabei höchst selten rein. Es sind vielmehr die im Norden verbreiteten Hollandräder und Stadträder unterer Preisklassen, welche so lange am Straßenrand unbeachtet liegen bleiben, bevor sie ihren letzten Weg antreten.

Ständig habe ich dann das Problem, das 26 Zoll nicht immer 559mm bedeutet, sondern auch 570mm. 28 Zoll bedeutet für die Holländer nicht 622mm, sondern 635mm oder auch mal 630mm.
Ich habe etwa vier verschiedene Tretlagerabzieher und fünf verschiedene Freilaufabzieher und dennoch treffe ich regelmäßig auf ein Tretlager oder ein Hinterrad, bei dem mir das passende Werkzeug fehlt. Das Todesurteil für dieses Rad, es wird dann ganz sicher verschrottet.
Ich sammle ganze Halden von Sattelstützen ein, die es früher in dutzenden von Größen gab, wohingegen heute etwa vier bis sechs noch relevant wären.

Das Teilelager war bereits so überfüllt mit Exoten, das die wirklich gebrauchten Teile darin unter gingen. So haben wir tatsächlich in den letzten Wochen radikal verschlankt und durchaus Brauchbares verschrottet, weil es einfach zuviel wurde. Und das, obwohl der Großteil der Räder eben aus den letzten 30-40 Jahren stammte.
Eigentlich hat jeder Ersatzteilhandel das selbe Problem. Sämtliche Teile vorrätig zu haben, ist einfach nicht mehr möglich oder ungeheuer Platz-, Zeit- und Geldraubend.

Früher gab es also sogar bedeutend mehr nonkonforme Technik. Und fast Nichts aus meinem Werkstattlager kann ich an meine privaten Räder schrauben, weil die eben aus einer Fahrradgeneration stammen, die am Straßenrand nicht liegen bleiben, sondern irgendwohin verkauft werden.

Es gibt dann aber auch mal den umgekehrten Fall. Da bringt mir ein Lehrer sein Rad vorbei und benötigt eine neue Kurbelgarnitur wegen eines beschädigten rechten Kurbelarms. Das Rad trägt eine Octalink-Kurbel nebst passendem Tretlager, doch der durchaus gut sortierte Fachhandel in Bremen führt kaum noch geeignete Kurbelgarnituren. Also wechselte ich auch das Tretlager aus und ersetzte beide Teile durch das olle System mit dem Vierkant, das zwar nur noch im Billigsegment existiert, aber mit hoher Verfügbarkeit.

Das jedoch ist auch der Vorteil. So unterschiedlich die Anbauteile sind, die jeweiligen Aufnahmen am Rahmen halten ihren Standard deutlich länger.
Ein Tretlager mag veralten, die BSA-Tretlagergewinde jedoch machen Ersatz einfach.
V-Brake-Bremsaufnahmen nehmen eben solche V-Bremsen oder hydraulische Kolben aus deutscher Produktion auf. Sofern Steckkassetten nach Shimano-Standard eingesetzt werden, lässt sich 8-fach auch durch 9-fach oder später durch 10-fach ersetzen. Man braucht eben auch mal neue Schalthebel dazu.
Und wer unterwegs sowieso schon den halben Antrieb auswechselt, kann auch noch den übrigen Rest wechseln.