Re: Rohloff endlich mit Steckachse

von: Behördenrad

Re: Rohloff endlich mit Steckachse - 02.08.15 21:41

@ALL: (auch wenn ich mir einen Beitrag speziell rausgepickt habe)

Ich finde es ja spannend, wie man sich an meinem Beitrag "abarbeitet". Zeigt es doch, dass er wahrgenommen wurde. Aber: Die einen lesen, was dort steht, die anderen interpretieren etwas hinein, was dort nicht geschrieben steht. Um mal wieder etwas auf die Sachebene zu kommen:

1. Ich kenne mich mit Kettenschaltungen aller Varianten seit den mittleren 1970-er Jahren aus - von 5-fach-Simplex, Sachs-Huret, über Shimano 5- bis 10-fach: "Golden Arrow", 105-er, 600-er, Ultegras, DuraAces, XTs, XTRs; Campa Chorus/Record von 8- bis 10-fach in verschiedenen Alu- und Plasteversionen, SRAM 9.0 SL bis X.0 - und eben auch Rohloff: Eine solche war, neben verschiedenen MTB und Rennrädern an einem Rotor "Komet" (vergleichbar Intec M1 - ist mWn derselbe Rahmen) von 2001 bis 2011 (dann geklaut weinend ) im Bestand und hat in der Zeit eine ordentliche 5-stellige KM-Leistung im Alltags-/Dreckwetter- und Tourenbetrieb (u. a. Alpenüberquerungen) hinter sich gebracht - defektfrei! Die Friktions- und frühen Index-Kettenschaltungen, mit denen ich in den späten 1970-ern und 1980-ern auch einige Reisen unternommen habe (Schweden, Frankreich, Österreich, Italien - und angrenzende Länder als Tagesstreifschuß), waren doch regelmäßig von Schaltungsdefekten / Antriebsdefekten begleitet.
In der Familie ist eine weitere Rohloff (4-stellige Nummer, Erstauflage!) seit gut 15-Jahren in Betrieb, und zwar unter "Extrembedingungen" (Alltagsfahrzeug ganzjährig, 130 - 140 kg Systemgewicht, bergiges Gelände, Laufleistung bisher ca. 130 Tkm). Defekte: zweimal interne Ansteuerung, verschiedene Ritzel, ein neuer Drehgriff. Der Rest -also das eigentliche Getriebe- läuft weiterhin zuverlässig. Das Rad nutze ich auch regelmäßig an WE, wenn ich dort zu Besuch bin.
Insofern nehme ich für mich in Anspruch, über gewisse Erfahrungen bei beiden Schaltungsarten zu verfügen.

2. Wer RR-Kettenschaltung mit Rohloff vergleicht (der "Auslöser" meines Satements), kann auch Sportwagengetriebe mit LKW-Getriebe vergleichen. Das Ergebnis kommt auf dasselbe raus: Beide Getriebe sind für den jeweiligen Anwendungsfall gedacht und werden bei dem jeweils anderen Anwendungsfall "nicht so gut funktionieren" - bezogen auf Übersetzungsabstimmung, Drehmomentübertragung, Drehzahloptimierung. Deswegen dann von einem schlechten Getriebe zu sprechen, ist wenig sachgerecht - es war dann eher die Entscheidung für das falsche Getriebe, die zu beanstanden ist. Wer enggestufte RR-Schaltung will, ist mit Rohloff falsch bedient - wer die Bandbreite der Rohloff benötigt, greift mit einer RR-Schaltung daneben. Ein echter Vorteil der Kettenschaltung ist, dass man relativ einfach das Übersetzungsspektrum im Rahmen der technischen Gesamtgrenzen an die Geländeverhältnisse anpassen kann (Kassetten- / Ritzeltausch). Das geht bei Rohloff nicht, da kann ich nur das vorgegebene Spektrum nach "leichter" oder "schwerer" insgesamt verschieben.

3. Die "Steckachsen"-Variante von Rohloff ist ja keine echte solche, sondern es ist lediglich über passende Adapter möglich, verschiedene Hinterbau-Anschlüsse zu realisieren. Die eigentliche Achse der Nabe bleibt, wo sie ist. So gesehen ist es keine innovative Neuerung des Rohloff-Getriebes, sondern lediglich eine Anpassung an geänderte Marktbedingungen, da die Steckachsentechnik sich im Rahmenbau immer weiter verbreitet und die Schnellspanner-Variante auf mittelfristige Sicht in den Hintergrund gedrängt werden wird.
Diese Adapter-Lösung ist aber nicht bedenklich, über dieses Konstruktionsprinzip funktioniert im Maschinen- und Fahrzeugbau vieles, was an unterschiedliche Einbaulagen angepasst werden muss. Rein mechanisch wird die Rohloff-Lösung nicht versagen, wenn man sich das Prinzip mal genauer anschaut. Mangelhafte Montage (Drehmomente) oder falsches Material (Spannschrauben) führen auch bei anderen Herstellern zum vorzeitigen Ableben des betreffenden Teils.

4. Die aktuellen Kettenschaltungen sind sicherlich technisch-funktional "on Top", zumindest wenn sie ladenneu "erfahren" werden.
Man muss hier aber in der Betrachtung die Ansteuerung des eigentlichen Getriebes, mechanisch oder elektronisch ist egal, da dies nur die Übertragung des Schaltimpulses betrifft, aber keinen Einfluß auf die Tauglichkeit des eigentlichen Getriebes hat, und das eigentliche Getriebe voneinander trennen.
Was bei DuraAce der STI, ist bei Rohloff der Drehgriff, was bei DuraAce das Schaltwerk, ist bei Rohloff die (externe) Schaltbox + Schaltwelle. Beides ist nur die Mechanik zum Übertragen eines "Gangwechselwunsches" an das eigentlichen Getriebe. Beides unterliegt im Gebrauch einem Verschleiß, der durch Austausch der verschlissenen Teile behoben werden kann (neuer STI/Schaltwerk --> neuer Drehgriff/Schaltbox). Wie oft das vorkommt, weiß jeder in seinem Anwendungsumfeld selbst. Im Gegensatz zur Kettenschaltung muss ich bei der Rohloff aber nicht auch noch regelmäßig die eigentlichen Getriebeteile (Kettenblätter / Ritzel --> Zahnräder/Getriebewellen) austauschen. Und auch eine Kette ist bei der Rohloff quasi mit "ewigem Leben" gesegnet, da es für die Schaltperformance / den geschmeidigen Gangwechsel völlig egal ist, welchen Zustand die Kette, das Ritzel oder Kettenblatt haben. Bei der Kettenschaltung ist der Unterschied zw. einer neuen und einer 3-Tkm-alten Kette (bei entsprechenden Einsatzbedingungen) schon deutlich zu spüren. Hohe 5-stellige Laufleistungen mit einer Kette/KB/Ritzel-Kombination sind nicht möglich, wenn man die "Ladenneu-Performance" erhalten will. Über den finanziellen Aufwand muss man nicht diskutieren, da hier jeder seine eigenen Vorlieben beim verwendeten Verschleißmaterial hat (15-€-Kette gegen 50-€-Kette, Tiagra-Ritzelpaket gegen DuraAce-Ritzelpaket.)
Ganz nebenbei: Trotz innovativster, aufeinander abgestimmter Technik sind auch heute krachende / rasselnde Schaltvorgänge nicht ausgestorben - sie sind höchstens weniger geworden. Es sitzen nach wie vor eben nicht hauptsächlich Profis mit entsprechendem Gefühl für die Technik auf den Rädern, und es wird dem Radler eben nicht durch ausgefeilte Technik das passende Reduzieren / Unterbrechen des Kraftflusses im Antriebsstrang zum Einlegen einer anderen Gangstufe abgenommen. Das muss die eigene Feinmotorik können - egal, ob Ketten oder Nabenschaltung.

Matthias