Re: Persönliche Radreise-Essenz in einem Foto

von: veloträumer

Re: Persönliche Radreise-Essenz in einem Foto - 10.03.16 12:25

Sicherlich habe ich Lieblingsfotos, aber nicht eines. Zu dem Thema "Essenz des Radreisens" habe ich seltsamerweise noch nie über Motive nachgedacht, andere Themen schon. Jüngst hatte ich auch einige Fotos auf einer fremden Website unter bestimmten Themen zusammengestellt. Jedes Thema produziert dann neue Bilder, die den Kern treffen. Ich habe auch schon Fotobücher gemacht, wo die großen Bilder (z.B. auf zwei Seiten gezogen) natürlich die "Lieblinge" waren - die Deckelbilder sind dann gewissermaßen die Essenz des Buches. Essenz, oder Lieblingsbild oder aber auch, was ist typisch und dabei noch gut anzuschauen. Das ist nicht immer eindeutig, was das Bild dann sagen soll. "Essenz" ist mir schon etwas zu ausschließend, zu final in der Aussage.

Die Facetten des Radreisens, auch der Landschaften, sind dann doch zu vielseitig. Ich komme da auch zu dem Ergebnis von Inga-Pauli. Gerne typisiere ich in meinen Berichten eine bestimmte Region mit einem Bild - aber nur eine Region von 3-6 Tagen des Reisens etwa. Das ist aber schwer und letztlich auch unehrlich, wenn man es an einem Bild festmacht. Es gibt natürlich Schnellentscheider, die immer etwas Eindeutiges zur Hand haben. Das ist aber nicht jedermanns Gedanken. Meine Bildgedanken sind Galerien, nicht ein einziges Titelbild. Ich muss nicht immer Redakteur spielen für mich selbst. Die Vielfalt ist ja etwas Typisches des Radreisens. Ich mag auch Regionen mit einem Großfoto zu typisieren, und ein paar andere, kaum mindere Aspekte mit eingelagerten Minifotos zu ergänzen. So entstanden dann auch die Buchdeckel oder einige dieser Einladungsbilder zu größeren Bildergalerien für eine Region (beispielhaft habe ich es in meiner Pirineosaurus-Legende durchgezogen). So entfaltet sich zumindest ein kleines Kaleidoskop von den wichtigsten Eindrücken.

Ein weiteres Element, das Bild in seiner gedeuteten Aussage zu erweitern, sind stilisierende Elemente - ähnlich wie es der Maler und der Grafiker macht. Das sagt dann manchmal mehr aus als ein naturalistisches Foto. Nicht umsonst ist die Entwicklung eines Logos ein große Kunst, mit einem kleinen stilisierten Bild eine ganz große Sache zu umschreiben, zu kennzeichnen. (Weil gerade aktuell im Forum darüber diskutiert wird, schau mal das Logo für die Via Claudia Augusta an - ich meine, ein relativ gelungenes Beispiel). Für einige meiner Berichte habe ich ein stilisiertes Eröffnungsfoto erstellt - wenn man so will, auch der Versuch, einer Essenz der jeweiligen Reise. Es bleibt aber ein Versuch. Ein bisschen auch ein (Selbst)Betrug, weiß man doch selbst, es könnte auch ein ganz anderes Motiv sein. Und noch viele andere.

Nehme ich mal das Vercors-Bild, so fehlt doch das Typische des Essens, des Schlafens unterwegs, der Kulturfacetten, aber auch anderer Landschaft, die apart-felsig wie Hochgebirge oder sandig-exotisch wie Wüsten sein können, Wasser wie Seen, Meer oder Kaskaden usw. Ich liebe Grün, aber es gibt eben nicht nur Grün mit sanften Serpentinen. Und kann es nicht auch das typisch sein: ein Mensch oder ein Fahrrad oder sonstwas - ein Tier, eine Blume, gar ein Schneekristall, eine Lichtbrechung im Auge? Das Alles kann ein besonderen Moment der Radreise zelebrieren, der die Reise auszeichnet - vielleicht aber nicht das Radeisens insgesamt. Nicht mal jeder wichtige Moment wird ins Fotolicht gerückt (werden können). Dann ist es vielleicht mal ein Gedanke, ein Vers. Dann aber vielleicht nur ein inneres Bild oder eine Erinnerung an ein Schwitzen, ein Keuchen, ein Abrackern, ein Prickeln auf der Haut, ein Wind im Haar, ein salziger Geschmack auf der Zunge, ein Brennen im Auge, ein Rauschen vom Bach, das Rufen der Rotbauchunken in der Mondnacht, eine besondere Musik aus den Gassen einer Stadt oder gar ein Schrecken unter Donner und Blitz - ja das Zittern der Angst. Dann sind da die Erinerungen, die schwächeln, die trügen, die sich verändern. Das Bild muss nachjustiert werden, die Zeit verändert die Essenz. Es gibt ja auch Gefühle, die das Radreisen ausmachen - nicht nur Bilder. Wenn man so ein symbolisches Bild hinterfragt, verliert es seinen eindeutigen Symbolcharakter doch mehr oder weniger. Radreisen ist eben weniger ein Bild als ein ganzer Kosmos von Momenten.