Re: Live-Bericht: Nürnberg-Nordkap

von: el loco

Re: Live-Bericht: Nürnberg-Nordkap - 22.06.14 18:32

Dass die norwegische Grenze nur noch wenige Menter entfern sein sollte, davon merkte ich irgendwie garnichts. Nicht nur, dass überhaupt kein Verkehr auf der Landstraße vorhanden war, auch kein Verkehrsschild oder sonstiger Hinweis verriet mir nicht, dass Schweden in wenigen Kilometern vorbei sein sollte. Aber GPS lügt nicht. Der motorisierte Verkehr ging wohl glücklicherweise über die parallel verlaufende Autobahn. Der letzte Kreisverkehr mit norwegischen und Schwedischen Flaggen aber ließ doch erahnen, dass ich dem Land nahe bin, in dem ich mehr als die Hälfte meiner gesamten Strecke fahren werde. Meine letzten 100 schwedischen Kronen verpulverte ich in einem Fastfood Restaurant, auch wenn ich darauf so garnicht Appetit hatte. Schließlich fuhr ich auf eine gewaltige Brücke zu, die über eine eindrucksvolle Schlucht ging, welche die beiden Länder trennte. Ich ärgere mich noch immer, dass ich nicht inmitten der Brücke für ein Foto anhielt. Ich traute mich nicht, denn ein Auto saß mir im Nacken und konnte nicht überholen. Im Nachhinein fand ich, dass mir das hätte egal sein sollen.

Norwegen! Ich war schließlich da! Es war ein großartiges Glücksgefühl, dass ich erst nach einigen Kilometern hinter der Grenze realisierte, denn der Übergang ins Land verlief unscheinbarer, als er es für mich bedeutete. Zum ersten Mal war ich mächtig Stolz von zuhause in ein Land geradelt zu sein, dass mir immer so unendlich fern vorkam. Ich bin froh, meine Reise daher nicht etwa in Südschweden begonnen zu haben. Das Gefühl, über eine Grenze oder in eine Großstadt einzufahren, war umso herrlicher. Ich sagte mir selbst jedesmal, dass ich nun weiß, was zwischen meiner Heimat und diesem entlegenen Ort liegt, in dem ich mich befinde.

Am selben Tag fuhr ich noch bis Fredrikstad, dem ersten größeren Ort hinter der Grenze. Mein erster Eindruck des Landes war eher ernüchternd. Denn irgendwie kam mir Schweden viel herausgeputzer vor. War nicht Norwegen das ach so reiche und teure Land? Wie schon vorher erwähnt, fand ich Schweden schon unerhört teuer. Der nette Schwede vom Campingplatz hinter Malmö warnte mich abermals vom noch viel teureren Norwegen. ¨F*ck Norway, it`s so expensive! Keep on cycling in Sweden¨, riet er mir und ich musste lachen. Diese Worte hatte ich noch immer in Erinnerung. ¨But the Fjords.. and the whole landscape...¨, entgegnete ich damals. Letztlich war Norwegen natürlich immernoch teuer, aber nicht viel mehr als Schweden, dachte ich. Höchstens dass Mineralwasser so viel kostet wie die selbe Menge Cola - nämlich ca. 3 bis 5 Euro - das verwunderte mich schon ein bisschen. Letztlich fand ich aber immer eine Billigmarke, die 1,5 Liter für ca. 1,50 Euro anbot und mit einem scharfen Preisvergleich bei Lebensmittel lässt einen auch in Norwegen für unter 10 Euro einkaufen. An die 19 Cent für Wasser und Brot für unter 1 Euro daheim darf ich garnicht denken. Wie spottbillig bei uns doch die Lebensmittel sind. In Deutschland geht`s uns wohl wirklich zu gut.

Nach meiner ersten Nacht im norwegischen Wald hatte ich nicht weit zu radeln. Oslo war lediglich ca. 100 km entfernt, ich hatte aber lediglich bis Ås zu fahren, einem Ort 30 km davor. Dort wohnte Gerrit, der mich für den Donnerstag Abend zu sich nach Hause eingeladen hatte. Er erfuhr von meiner Reise, kontaktierte mich über meinen Blog und erwähnte, dass er auch Reiseradler sei und als Deutscher in Norwegen wohne. Ich könne gerne bei ihm vorbei kommen. Die Einladung nahm ich gerne an. War es doch mein erster Abend in Zivilisation - den Hotelaufenthalt in Göteborg ausgenommen. Wir hatten viel gemein und so wurde es ein sehr angenehmer und kurzweiliger Abend. Da auch er lange Haare hatte, war er mir gleich sympathisch. Er ist promovierter Biologe an der Uni im Ort und forschte an der Lachszucht, was ihn für mich irgendwie noch cooler machte. Wir ratschten über das Radeln, Musik, die WM, die ich leider nun verpasse, und Gott und die Welt. Sogar das norwegische Dosenbier war nicht schlecht. Alles in allem ein perfekter Aufenthalt, der zu keinem Zeitpunkt irgendwie gezwungen erschien. Das Beste war aber, dass auch er diesen Sommer mit seinem Liegerad ans Nordkap reisen möchte und unsere Termine sich durchaus überschneiden. Wir nahmen uns vor, uns dort wiederzusehen, wenn wir es nicht sogar schaffen, vorher einige Tage zusammenzuradeln - cool! Ich freute mich und versicherte ihm, dass ich mich spätestens dann mit einem Bier dort oben revanchieren würde.

Nach meiner Nacht innerhalb vier Wänden musste ich zunächst neues Bargeldd besorgen und klapperte zahlreiche Banken ab. Dass man dort immer brav eine Nummer ziehen durfte, wie etwa bei uns auf dem Finanzamt, wusste ich von meinem Buch über die norwegische Mentalität. So kam es, dass ich in zahlreichen Banken Nummern zog und dementsprechend jedesmal halbe Ewigkeiten wartete, nur um gesagt zu bekommen, dass diese Filiale nicht wechselt. Den halben Vormittag damit vertan, machte ich mich anschließend auf den Weg zu einem großen Outdoor-Laden, zu dem mir Gerrit riet. Kleine aber wichtige Sachen konnte ich dort nachkaufen und zu meiner Überraschung auch zu nicht überteuerten Preisen. Etwa das wichtigste Kleidungsstück hatte ich einen Tag vorher verloren - mein Buff. Dort gab es zwar kein Original und auch nur in grünem Camouflage-Style, aber ein warmer Kopf und Hals war mir hier wichtiger als mein Pazifismus und meine Eitelkeit. Pro Tour brauche ich einen Spork. Denn wie auch in den Touren zuvor, habe ich ihn abermals zerbrochen. Ich schaffe das jedesmal, weil ich annehme, ihn etwas biegen und in meinen 1L-Topf zwängen zu können. Und da war noch das Kettenöl. Werkzeug, ja sogar Lagerfett - alles hatte ich dabei. Nicht aber Öl - und meine Kette schrie schon mit lautem Quietschen nach Erbarmen. Schließlich nahm ich noch ein Moskitonetz für den Kopf mit, da ich bislang aufgrund widersprrüchliche Mückenberichte darauf verzichtete, Gerrit aber meine, dass man es dort oben zum Atmen sogar bräuchte.

Glücklich über die günstigen Bereicherungen meiner Tour hatte ich nur noch 25 km nach Oslo einzuradeln. Da lohnte sich auch endlich mal mein Helm, denn in einer sandigen Kurve legte es mich hin und ich schhliff am Boden wie ein nasser Sack. Der Helm und meine gesamte linke Seite haben seitdem deutliche Schrammen. Doof nur, dass auch meine Radlerhose und das Shirt Löcher hatten. Hätte das nicht vor dem Besuch um Outdoor-Laden passieren können? Letztlich tröstete ich mich mit dem Gedanken, dass ich mit den kleinen Rissen abenteuerlicher und evtl. Sogar etwas martialischer aussehen muss. Dennoch zog ich lieber meine Windjacke drüber, wenn ich einkaufen war oder durch Oslo fuhr.

Oslo ist gewaltig!
Der Reiseführer bescheinigte ganz Norwegen einen ländlichen Charme, der sogar in Teilen der Hauptstadt zu finden seien soll. Ich radelte begeistert den Fjord entlang mit Blick auf die vielen Inseln. Vor dem Hauptbahnhof aber taten sich aber Skyscraper auf und ich fühlte mich auch aufgrund der Menschenmasse wie auf dem Time Square - wohl weil ich dort noch nie vorher war. Nach einigen Erkundungsfahrten durch die Stadt besorgte ich mir eine Simkarte wollte schließlich am Abend auf der Insel Langoyene campen - sort sollte es kostenlos sein und die ca. 7 Euro für zwei Einzelfahrten auf öffentlichen Fähren waren auch verschmerzbar.

Auf Langoyene sollte ich aber erst gegen 1 Uhr nachts ankommen, denn ich machte ein Abenteuer durch, dass ich in einem eigenem Forenpost erzählen werde. Denn das auch noch anzuschneiden würde diesen hier sprengen. Außerdem ist schon halb neun und ich muss noch raus aus Hamar.

Mit meiner norwegischen Sim und dem mobilen Internet möchte ich nun auch regelmäßiger berichten, damit nicht stets solche Riesentexte entstehen.

Bis morgen :-)
Manuel