Re: Wohnwagen fürs Fahrrad

von: Freundlich

Re: Wohnwagen fürs Fahrrad - 02.08.15 20:04

Du siehst das völlig richtig: Wenn man kein Motorfahrzeug betreibt, muss man die geringe Dauerleistung des Motors Mensch sparsam einsetzen und hat nichts zu vergeuden.

Viele der weiter oben zu lesenden Aussagen zum Windwiderstand einer gezogenen Kiste auf Rädern sind zweckoptimistische Vermutungen. Man muss aber kein Aerodynamiker sein, um wenigstens die einfachsten Zusammenhänge zu verstehen und anzuwenden. Unter dem Suchbegriff cw-Wert, Luftwiderstandbeiwert oder Strömungswiderstandskoeffizient findet sich ausreichend Lesestoff, wenn auch meist aus der Kraftfahrzeugtechnik. Wichtige Hinweise lassen sich z.B. hier, hier oder hier nachlesen.

Wenn ich primitiv und allgemeinverständlich zusammenfassen darf:
Der Windwiderstand spielt sehr wohl auch bei niedrigen Geschwindigkeiten eine große Rolle und frisst einen erheblichen Teil der Antriebskraft des Radlers.
Bei Verdoppelung der Geschwindigkeit wird die 8fache Antriebskraft benötigt, um den Luftwiderstand des Anhängers zu überwinden. (Die Geschwindigkeit geht in der 3. Potenz in die Rechnung ein). Es ist unerheblich, ob diese Geschwindigkeit selbst gefahren wird oder in Form von Gegenwind anströmt. Der Effekt ist identisch. Wenn ich also bei 20 km/h einen Anhänger noch mühelos ziehen kann, benötige ich bei 20 km/h Gegenwind die 8fache Leistung.

Weil das so ist, bemüht man sich beim Entwurf als erstes, die Stirnfläche zu reduzieren. Damit lässt sich der Luftwiderstand am effektivsten reduzieren. Erst in zweiter Linie kommt die strömungsgünstige Form. Deren Auswirkungen werden oft überschätzt und sind bei einer Kiste auf Rädern sehr gering.

Die Vermutung, ein relativ niedriger Kinderanhänger mit kleiner Stirnfläche hätte auf Grund von Verwirbelungen u.ä. einen höheren Luftwiderstand als eine große, glatte Kiste, ist sehr gewagt. Das klapp- und faltbare Lösungen schwieriger zu realisieren sind, steht außer Frage. Unlösbar wäre diese Aufgabe nicht. Beim verlinkten Modell aus Australien hat man sich mit den 4 kleinen Laufrädern allerdings ohne Not erhöhten Rollwiderstand eingehandelt.
Wie der Vergleich mit "richtigen" Wohnwagen zeigt, kommen leistungsschwächere Kleinwagen gut mit Faltcaravans zurecht, während größere Wohnwagen auch kräftige Zugmaschinen benötigen.

Es hilft auch nicht, auf die vermeintlich laminare Strömung vom teilverkleideten Liegerad bis zum Heck des Wohnwagens zu hoffen. Bei den geringen Geschwindigkeiten, die man mit dem Gespann fahren kann und beim nötigen Abstand Hänger-Zugfahrzeug, bildet sich kein geschlossenes Strömungsbild. Die Strömung reißt hinter jeder Kante ab und verwirbelt, weshalb man den Luftwiderstand des Hängers getrost einzeln kalkulieren kann. Anders sieht das bei Rennradlern und Bahnradsportlern aus. Aber hier lautet die Order der Trainer, maximal 1,5 cm Abstand zum Reifen des Vordermannes zu halten, sonst wird´s nichts mit dem Windschatten.

Wie groß der cw-Wert eines Fahrrad-Anhängers ist, müsste im Windkanal gemessen werden. Man kann aber in die Formeln auch probehalber Werte zwischen 0,6 und 1,0 einsetzen - falls man die Antriebsleistung berechnen will.
Bleibt man bei der starren Kiste als Vorgabe, dann wären eine abgesenkte Oberkante der Front und gerundete Kanten naheliegend. Beipiel: E-Lok BR 212. Hier konnte aus Kostengründen und wegen technischer Vorgaben auch nur eine Kiste auf Rädern entstehen, die aber mit den geringen Änderungen an der Front den cw-Wert deutlich verbessern konnte.