Re: Pässe- und Gipfeltour durch Nordspanien (Porto

von: Moarg

Re: Pässe- und Gipfeltour durch Nordspanien (Porto - 03.10.16 12:12

FÜNFTER TEIL: Baskenland / Navarra

Tag 17 (Di 09 Aug 16)
Strecke: Castro Urdiales – Δ Alto de las Muñecas (372 m) – Muskiz – Δ Alto de la Reineta (403 m) – Bilbao – Δ Alto de Vivero (414 m) – Δ Alto de Morga (328 m) – Ugartegoikoa – Urruchua
101 km | 4:59 h | 20,3 km/h | 2.110 Hm
Ü: Camping wild

Das Wetter mit trübem Himmel verspricht nicht die ganz große Genussfahrt und so ziehe ich mein geplantes Programm bis Bilboa erst mal zügig durch. Das verläuft natürlich nicht auf der flachen Variante sondern schon etwas durchs baskische Hügelland. Die Bedingungen leicht ungemütlich, nach der kurvigen letzten Abfahrt ist es Richtung Bilbao dann aber wenigstens trocken. Bis in die Stadt rein ist es wenig erbaulich (Gewerbegebiet). In Bilbao sieht es schon anders aus, aber so richtig begeistert bin ich nicht. Liegt vielleicht auch am grauen Himmel heute, auf jeden Fall haben mir Porto oder auch Vitoria-Gasteiz tags drauf besser gefallen.

Auf der Ostseite vom Tal geht es hinter Bilbao dann wieder in die Höhe. Streckenweise folge ich hier mal wieder dem Camino del Norte, zum Teil mit üblen Steigungen. Über die Kuppe dann mal ein Stück zum Tempomachen, dann wieder schwierige Fahrt auf winzigen Sträßchen, zum Teil Beton. Nach der Abfahrt vom nächsten Hochpunkt (Alto de Morga) gerate ich in Ugartegoikoa in ein Radrennen. Scheinbar ein Rennen der gehobenen Nachwuchskategorie, richtig mit Begleitfahrzeugen und Straßensperrungen. Es sollte mich dann noch bis ins Tagesziel begleiten, denn die Jungs sind auf einer Runde unterwegs und befahren meinen Schlussabschnitt genau in der Gegenrichtung zu mir. Die Runde muss kurz sein, denn nach der ersten Passage des Fahrerfeldes werde ich bereits nach einer guten halben Stunde von den Vorrausmotorrädern erneut an den Straßenrand beordert.

In Urruchua dann Nieselregen und dichte Wolke. Eigentlich hatte ich noch mehr vor, wollte noch hoch auf den Oiz und dort wild übernachten. Bei den Bedingungen unsinnig und so ich warte erst mal ab. Das Fahrerfeld vom Radrennen kommt noch 3x vorbei, Wetterbesserung noch immer nicht in Sicht. Ich entschließe ich mich zum Abbruch der Etappe und campe wild am Straßenrand.




Bilbao: Im Stadion San Mamés (Spielstätte Atletic Bilbao) war ich kurz drin.


Ein Abstecher zum Guggenheim-Museum musste natürlich auch sein.




Tag 18 (Mi 10 Aug 16)
Strecke: Urruchua – Δ Balcón de Bizkaia (413 m) – Δ Oiz (1.026 m) – Durango – Δ Puerto de Urkiola (713 m) – Vitoria-Gasteiz – Δ Puerto de Opakua (1.022 m) – Estella/Lizarra
155 km | 6:59 h | 22,3 km/h | 2.380 Hm
Ü: Camping wild

Die Entscheidung mit der Kürzung der Etappe gestern war richtig, denn heute sieht das Wetter doch wesentlich freundlicher aus. Vom Start weg sind es etwa 3 km bis zum Balcón de Bizkaia. Dort bin ich etwas enttäuscht, denn diese Passhöhe trägt ihren vielversprechenden Namen zu Unrecht. Nichts mit toller Aussicht, alles zugewachsen.

Aber es gibt noch einen richtigen Aussichtsbalkon gleich in der Nähe – den Gipfel des Oiz. Da will ich jetzt hoch, und damit steht mal wieder eine Rampe der absoluten Sonderkategorie an. Vor allem die ersten gut 2 km auf schlechter Betonstraße sind knüppelhart, auch mit einer extremen Sektion von über 20 % Steigung. Total verrückt. Aber, wie könnte es anders sein, es lohnt sich. Der Gipfel ist absolut cool. Großartige Aussicht und die wie an der Perlenschur über den gesamten Berggrat aufgereihten Windräder geben irgendwie auch ein herrliches Bild ab.

Wer den Oiz mit erträglicher Steigung erklimmen will, der muss von Durango aus auffahren. Die Straße (meist Beton, teils auch Asphalt) ist hier auch in deutlich besserem Zustand als in der Steilrampe vom Balcón de Bizkaia aus. Nach Durango noch mal hart bergan zum Puerto de Urkiola, dann folgen tatsächlich mal 60 Kilometer ohne große Höhenunterschiede. Aber sehr windige, zum Teil auch sehr unangenehm von vorn. Höhepunkt hier natürlich Vitoria-Gasteiz, die Hauptstadt des Baskenlandes hat mich schon beeindruckt.

Nach dem langen und sehr windigen Flachstück dann wieder mal ein Stück steil bergauf in die Sierra de Urbasa zum Puerto de Urkiola. An der Passhöhe biege ich ab und nehme die Querverbindung zum Puerto de Urbasa. Eine sehr einsame Strecke. Kein Wunder, denn etwa in der Mitte des Abschnittes ist die Straße durch Felsbrocken abgesperrt. Durchgangsverkehr mit Auto ist nicht möglich.

Dann mit starkem Rückenwind weiter bis ins Tagesziel nach Estella. Dort ist richtig was los. Es sind unglaublich viele Menschen unterwegs, die meisten in Tracht mit weißer Hose, weißem Hemd, roter Schärpe und rotem Halstuch. Es mag wohl vor allem an dieser Festivität liegen, dass ich auf dem Campingplatz wegen angeblicher Überfüllung abgewiesen werde. Damit hatte ich nicht gerechnet. Mittlerweile bin ich in Sachen Wildcamping aber ganz gut geübt und finde fast schon wieder mitten in Estella dann noch einen guten Stellplatz in einer Flussbiegung des Río Ega. Später fast schon Sturmböen. Eine fegt meinen Helm von einer Bank in den Fluss. Ich darf mich noch mal etwas nassmachen, um ihn zu retten. Eine unangenehme Aktion, denn es ist schon ein empfindlich kühler Abend geworden.


Die letzten Kilometer zum Oiz. Die schlimmsten Steigungen sind hier schon geschafft.


Selfie ein Stück weiter oben.


Monte Oiz


Aussichtspunkt am Puerto de Urkiola.




Tag 19 (Do 11 Aug 16)
Strecke: Estella/Lizarra – Δ Puerto de Lizarraga (1.031 m) – Etxarri-Aranatz – Δ San Miguel de Aralar (1.231 m) – Δ Alto de Hachueta (1.347 m) – Lekunberri – Δ Alto de Uitzi (804 m) – Leitza – Δ Puerto de Usateguieta (695 m) – Donestebe/Santesteban – Sunbilla
137 km | 6:31 h | 20,9 km/h | 2.670 Hm
Ü: Camping Aritztigain | 11,00 €

Zwei Zelte haben sich irgendwann in der Nacht noch zu meinem innerstädtischen Wilcamping-Stellplatz dazugesellt. Pilger mal wieder, Estella ist ja Etappenort des Camino Frances. Im Ort selbst ist scheinbar immer noch das Stadtfest im Gange. Als ich aufbreche zieht jedenfalls bereits wieder eine große Menschenmenge in ihren Trachten gewandet zur Stierkampfarena.

Zu Beginn die lange Anfahrt zum Puerto de Lizarraga. Das Wetter dabei ähnlich wie gestern, sonnig und ziemlich kühl (nur 14°C). Und nach wie vor sehr windig. Zwar bei weitem nicht mehr mit solchen haarsträubenden Böen wie gestern Abend, aber immer noch unangenehm genug und vor allem aus gleichen Richtung wie gestern. Gegenwind also, der bis zum Pass trotz mäßiger Steigung für eine überaus zähe Fahrt sorgt. Oben halte ich mich nicht auf, zu kühl der Wind. Schöne Abfahrt dann nach Etxarri-Aranatz. Das allerdings ein reichlich trostlos wirkender Ort.

Wenig später dann die nächste harte Bergstrecke hinauf in die Sierre de Aralar. Für die von der Südseite nach oben führende schmale Betonstraße gelten diverse Einschränkungen, unter anderem ein Verbot für Fahrräder. Das ignoriere ich mal ganz frech und kämpfe mich den steilen Anstieg bis zur Kapelle San Miguel de Aralar nach oben. Oben schöne Aussicht aber auch wieder kühler Wind, sehr unangenehm. Ich verziehe mich alsbald ins Restaurant und kann dort meine Geräte endlich aufladen. Nach den zwei Wildcamping-Übernachtungen zuletzt ohne Lademöglichkeit war das auch dringend notwendig.

Gegenüber der Kirche liegt mit dem Alto de Hachueta noch ein weiterer Funktechnik-Berggipfel, der per kurzer Asphalt-Steilrampe (ca. 130 Hm) erreichbar ist. Nehme ich natürlich noch mit, bin ja schließlich auf Gipfeltour. Dann die Abfahrt nach Lekunberri. Die ist im Gegensatz zur schweren Südrampe von der ganz entspannten Sorte. Guter Asphaltbelag hier bei zumeist sanftem Gefälle. Lässt sich herrlich fahren.

Weiter dann durchs grüne Baskenland bis ins Ziel. Die Strecke ist hüglig, zwei einfache Pässe sind noch mit dabei. Sehenswert auch die Orte mit der typisch baskischen Fachwerkbebauung. Bin auf diesem Abschnitt sogar mal richtige Radwege gefahren. Einmal von Lekunberri in Richtung Uitzi-Pass (alte Bahntrasse) und dann auch zum Schluss zwischen Donestebe/Santesteban und Sunbilla. Sehr guter Campingplatz dort, der allerdings etliche Meter über dem Flusstal liegt und über eine harte Rampe angefahren werden muss. Trotzdem sind viele Reiseradler da. Erstaunlich, denn sonst habe ich während der ganzen Tour auf den Campingplätzen nämlich kaum mal einen Reiseradler angetroffen.


Aussichtspunkt am Puerto de Lizarraga




Auch mit solchen Gurken von Fahrrädern schafft man es bis hier hoch.


Neben der Kapelle San Miguel de Aralar laufen Ausgrabungen. Im Hintergrund der Alto de Hachueta.


Tag 20 (Fr 12 Aug 16)
Strecke: Sunbilla – Δ Collado de Esquisaroy (516 m) – Δ Puerto de Otxondo (570 m) – Δ Pico Gorramakil (1.090 m) – Campo-les-Bains – Bayonne
108 km | 5:52 h | 18,4 km/h | 2.690 Hm

Heute muss ich meinen Zug in Bayonne erreichen (Abfahrt 20.06 Uhr) und da wollte ich eigentlich schon mal etwas pünktlicher losfahren. Auf jeden Fall nicht erst nach 10.00 Uhr. Schuld war eine dicke Morgennebeldecke, die mich in meinem Tatendrang deutlich gebremst hat. Zum Start dann aber schon wieder strahlender Sonnenschein.

Die ersten Kilometer das Bidasao-Tal hinunter fliegen sehr flott dahin. Es sollten aber fast die einzigen Tempo-Kilometer dieses, wie ich später erkennen sollte, sehr schweren Tages bleiben. Gleich die erste, sehr einsame und verwinkelte Bergstrecke zwischen dem Bidasao-Tal und dem Puerto de Otxondo hat es in sich. Zu Beginn sehr steil nach oben bis zu einem ersten Hochpunkt. Dann geht der Asphalt in schlechten Betonbelag über und es entwickelt sich ein überaus aufreibendes Auf und Ab. Irgendwann wieder Asphalt, trotzdem schwer. Ein paar Hinweistafeln mit einer Art Wasserfallsymbol machen mich dann neugierig auf eine gewisse „Infernuko Errota“. Ich nehme den Abstecher mit. Erst verschießt man in einer sehr steilen Abfahrt etliche Höhenmeter, dann folgt eine ewig lange Wanderung in einem Flusstal. Am Ende steht man an einer alten Mühle mit einem kümmerlichen Wasserfall. Lohnt sich nicht.

Der Abschnitt zum Puerto de Otxondo endet mit einer steilen letzten Abfahrt, dann noch mal sehr schwer hoch zum Pass. Dort zweigt die Stichstraße zum Pico Gorramakil ab. Der letzte Gipfel meiner Reise. Die Steigung hier zur Abwechslung mal eher auf der einfachen Seite. Dafür ist der Asphaltbelag durchweg sehr schlecht bzw. ganz oben nur noch bruchstückhaft vorhanden. Der Gipfel selber ist dann wieder mal genial.

Der nächste Abschnitt ist die Pisten-Querverbindung rüber nach Frankreich Richtung Artzamendi. Darauf war ich besonders gespannt und sie erweist sich doch als ganz gut fahrbar. Zunächst mal stürzt die Piste rasant zu Tal, wobei die steilsten Abschnitte freundlicherweise Betonbelag aufweisen. Unten dann ein kurzes Stück in einem verträumten Flusstal, dann scharf links und mit immenser Steigung wieder nach oben. Nach hartem Kampf dann die Grenze zu Frankreich und wenig später der Abzweig zum Gipfel des Artzamendi. Es ist nun schon 16.00 Uhr. Jetzt noch da hoch? Wäre von der Zeit her noch möglich und eigentlich ein würdiger Abschluss meiner Gipfeltour. Doch ich lasse es bleiben. Der Anstieg wäre echt noch mal oberfies (3 km, 410 Hm). Außerdem war ich vor zwei Jahren bei sehr gutem Wetter schon mal oben.

Der Rest bis Bayonne fährt sich mit etlichen steilen Wellen noch mal überraschend anstrengend. Am Ende war es zum Abschluss noch mal einer der schwersten Tage der Tour. Für die Strecke muss man schon etwas mehr Zeit einplanen. Höhenmeter sind ohnehin genug dabei, und dort wo es hochgeht, geht es fast immer sehr steil zur Sache. Außerdem oftmals schlechte Straßen. Man kommt einfach nicht richtig ins Fahren.
Wegen der schwierigen Strecke und auch wegen meines etwas missglückten Tracks brauche ich für den Schlussteil länger als gedacht. Aus Zeitgründen muss ich dann sogar den geplanten Abstecher nach Biarritz noch streichen. Für eine Runde durch Bayonne reicht es aber noch locker bevor ich den Bahnhof ansteuere.


Sunbilla


Oberer Teil Auffahrt Gorramakil: klägliche Reste eines einst sicher guten Asphaltbandes.


Hier ist Schluss auf etwa 1.090 m. Im Hintergrund der Artzamendi (926 m).


Viele Pferde auf dem Gorramakil.


Abschlussfoto Bahnhof Bayonne.


Zurückgereist bin ich komplett mit der Bahn, Dauer immerhin 35h. Erst per Nachtzug von Bayonne nach Paris. Dort hatte ich 5h Aufenthalt und konnte bei gutem Wetter am Samstagmorgen noch eine kleine Stadtrundfahrt einschieben. Dann mit TGV von Paris nach Mulhouse und von dort weiter mit Rad nach Basel. Zum Schluss noch mal Nachtzug (CNL) von Basel nach Dresden.
War schon eine ganz schöne Aktion. Viel eleganter wird es aber wohl nicht gehen, wenn man nicht fliegen und auch sein Rad nicht für alle Zugverbindungen passend zerlegen und verpacken will.