Re: Pässe- und Gipfeltour durch Nordspanien (Porto

von: Moarg

Re: Pässe- und Gipfeltour durch Nordspanien (Porto - 27.09.16 18:33

Hallo Nat,

naja, das war ja bis jetzt auch noch nicht das richtige grüne Nordspanien.
Die Wolken sollten noch kommen, aber noch nicht während der nächsten vier Tage.

ZWEITER TEIL: Galicien / Kastilien - León

Tag 04 (Mi 27 Jul 16)
Strecke: Allariz – Laza – Δ Cabeza do Fuxo (1.102 m) – Campobecerros – Δ Alto do Fradelo (889 m) – Viana do Bolo – Δ Alto do Covelo (1.052 m) – Poblado do Vao
125 km | 5:47 h | 21,6 km/h | 2.510 Hm
Ü: Camping Annapurna | 8,00 €

Bei meiner Streckenführung kam es im Reiseverlauf natürlich immer mal zu Überschneidungen mit einer der Camino-Pilgerwegvarianten. Heute war das besonders oft der Fall, denn die Camino-Variante Via de la Plata verläuft über die Hälfte des Tages ziemlich genau entlang meiner Route. Vornehmlich zu Beginn kreuzt der Weg ständig die Straße und ich stoße immer wieder auf die bekannten Hinweisschilder. Auf dem ersten Hochpunkt des Tages zwischen Vilar de Barrio und Laza sehe ich dann auch mal einen Pilger. Es sollte aber die einzige Pilgerbegegnung des Tages bleiben, scheint nicht der prominenteste Weg nach Santiago zu sein.

Nach herrlich kurviger Abfahrt nach Laza folgt gleich wieder ein längerer und sehr schön zu fahrender Anstieg. Die anschließende kurze Abfahrt dann wieder exakt auf Caminopfaden. Auf jeden Fall ein sehr schöner Abschnitt des Pilgerweges. Der erste Ort, Portocamba, gefällt mir besonders gut. Es ist richtig urig da mit vielen alten, zum Teil auch vor sich hin verfallenden Holzhäusern. Wenige Kilometer weiter dann schon Campobecerros. Für eine so dünn besiedelte Gegend ist richtig viel Leben im Ort. Aber wohl nur wie jetzt um die Mittagszeit, wenn sich die Arbeiter der umliegenden Tagebaue zur ihrer Pause in den Bars des Ortes zusammenfinden. Ansonsten wird es hier vermutlich doch eher sehr beschaulich zugehen.

Weiter ein herrlicher Tag, ein Traum vor allem der ab Campobecerros folgende einsame Abschnitt entlang des Portas-Stausees. Später im Finale muss ich ab dem Alto do Covelo ein wenig improvisieren, da sich mein Track mal wieder als untauglich erweist und ich auf einem kaum fahrbaren Wanderweg lande. Ähnliches kam im Verlauf der Reise schon ab und an mal vor. Ist eben doch bisweilen seltsam, was einem von den Online-Routenplanern an Wegen so angeboten wird. Hat manchmal aber auch Positives. So auch heute, denn auf meiner ungeplanten Ausweichstrecke kann ich hinter dem Örtchen Tuxe noch an einen schönen Aussichtspunkt in die Schlucht des Rio Bibei erleben.

Der Camping Annapurna liegt herrlich zu Füßen der Staumauer vom Bao-Stausee und ist schon ein wenig Kult. Der Chef eröffnet mir gleich mal, dass das große Hauptgebäude im Moment komplett von einem „Scout-Camp“ (er meint wohl die Horde Jugendlicher) gemietet sei und ich deshalb mit den sanitären Außenanlagen Vorlieb nehmen müsse. Die erweisen sich dann schon als etwas gewöhnungsbedürftig. Mit den Kaltwasser-Außenduschen habe ich an so einem Sommertag ja noch kein Problem, die Toiletten sind dann aber wirklich indiskutabel. Trotzdem ein cooler Platz mit irgendwie besonderer Atmosphäre.


Portocamba




Staumauer Encoro das Portas


Erstes richtiges Passschild der Tour – endlich. schmunzel


Hier die luxuriöse Duschanlage des Campingplatzes.


Tag 05 (Do 28 Jul 16)
Strecke: Poblado do Vao – Δ Cabeza de Manzaneda (1.751 m) – A Pobra de Trives – Δ Alto da Hermida (568 m) – Petín – Δ Alto da Portela (1.125 m) – O Barco – Sobradelo
132 km | 6:15 h | 21,1 km/h | 2.980 Hm
Ü: Camping wild

Schwerer Start heute, denn gleich vom Start geht es aus der Schlucht raus steil nach oben. Anschließend ein halbwegs gemütlicher Zwischenpart, dann wieder sehr anspruchsvoll bergan zur Manzaneda-Skistation. Ab da sind es noch ein paar Kilometer Stichstraße und ich stehe auf dem nächsten Gipfel meiner Tour - Cabeza de Manzaneda. Es ist herrlich da oben. Und für einen Berg von immerhin 1.750 m Höhe mit glatten 30°C sehr warm. Erträglich immerhin noch. Das sollte später am Tag in den unteren Lagen dann ganz anders aussehen.

Zunächst erst mal aber die lange Abfahrt nach A Pobra de Trives und weiter bis ins Tal des Río Bibei. Die Straße ist wirklich erstklassig, macht richtig Freude da runter zu brettern.

Dann hoch zum Alto da Hermida. Nicht schwer, aber heiß. Runter ins Tal gerollt, noch heißer…Es wäre nun problemlos möglich (und bei den unerträglichen Temperaturen wohl auch vernünftiger) den Tag easy im Tal bis ins geplante Tagesziel ausklingen zu lassen. Geplant habe ich aber anders und kann mir nicht verkneifen das jetzt durchzuziehen. Das bedeutet noch eine durchaus ambitionierte Zusatzschleife über den Alto da Portela. Anfangs ist eine absolut einsame Nebenstraßenroute. Die Steigung zunächst human, dann eine kurze steile Zwischenabfahrt gefolgt von einem ganz fiesen Steilabschnitt. Rückblickend wohl die Passage der ganzen Reise, mit der ich die größten Mühen hatte. Nach dieser Tortur sind es immer noch etliche Kilometer bis zum Alto da Portela, die aber deutlich einfacher. Klasse vor allem der letzte Abschnitt auf astreinem Asphalt ab dem Prada-Stausee.

Die Abfahrt nach O Barco macht richtig Spaß, die Temperaturen dort unten weniger. Was für eine unbeschreibliche Hitze. Deswegen, und weil mal wieder alle meine Akkus runter sind, denke ich doch ernsthaft an eine Hotelübernachtung. Nachdem ich mich in einem Supermarkt etwas abkühlen und dort im Eingangsbereich sogar meine Akkus ein wenig nachladen konnte wurde es dann doch wie geplant die Wildcampingübernachtung kurz vor Sobradelo.




Cabeza de Manzaneda




Tag 06 (Fr 29 Jul 16)
Strecke: Sobradelo – Δ Fuente de la Cueva (1.842 m) – Δ Puerto de las Gobernadas (1.410 m) – Δ Peña Aguda (1.258 m) – Δ Puerto de Los Portillinos (1.887 m) – Δ Alto de El Morredero (1.735 m) – Pontferrada – Villamartín de la Abadía
157 km | 8:14 h | 19,0 km/h | 4.080 Hm
Ü: Camping El Bierzo | 9,20 €

Das heute ist zweifellos die Königsetappe der Tour. Eigentlich nicht nur dieser Tour, denn 4.000 Höhenmeter habe ich weder auf Radreisen noch sonst irgendwann je an einem Tag abgerissen. Habe schon etwas Respekt, als ich eine Stunde früher als gewöhnlich gegen 8:30 Uhr aufbreche.

Los geht es mit dem langen Anstieg zur Fuente de la Cueva. Das sind gleich mal lockere 1.550 Höhenmeter, die ich nach genau 2 h Fahrzeit erledigt habe. So weit, so schwer. Wenn man allerdings daran denkt, was jetzt immer noch bevorsteht. Lieber nicht…Die Strecke bis zum Pass hat mir gut gefallen, sie hat vor allem oben raus in einer weiten und offenen Tagebaulandschaft ihren ganz eigenen Reiz.

Nach einer schnellen Abfahrt dann der Abzweig zum Puerto de las Gobernadas. Hier geradeaus weiter würde eine deutlich entschärfte Streckenvariante ergeben. Für mich nicht wirklich eine ernsthafte Überlegung wert, heute soll es unbedingt das volle Programm sein. Also hoch zum Gobernadas. Der kurze Anstieg ist kein Problem. Ganz anders sieht das nach der herrlichen Abfahrt aus. Da geht es dann etwa 450 Hm richtig steil wieder nach oben. Mit Abstand der härteste Streckenabschnitt des Tages.

Weiter geht es, und es wird nicht wesentlich einfacher. Dafür aber gefühlt immer heißer. Zum Glück gibt es auf der gesamten Strecke etliche Stellen, wo Trinkwasser neben der Straße aus dem Felsen sprudelt. Vorher hatte ich da durchaus Bedenken, denn auf dieser einsamen Bergstrecke habe ich nicht unbedingt mit einer Fülle an Einkaufsmöglichkeiten gerechnet. So war es dann auch, denn ab der Fuente de la Cueva (Restaurant) kommt da über 70 km bis Corporales gar nichts. Mit meinen 2 Liter, die ich maximal an Bord habe, wäre ich jedenfalls niemals über die Runden gekommen. Habe nicht mitgezählt, wie viele Liter ich heute letztlich tatsächlich in mich hineingeschüttet habe. Es waren genug…

Die Auffahrt zur Peña Aguda ist noch mal besonders heiß. Unmögliche Bedingungen, es muss wohl nahe an die 40°C dort gewesen ein. Hier gerate ich dann auch das einzige Mal während des Tages in Wassernot, auf der Passhöhe aber die nächste und in dem Fall rettende Wasserstelle. Ab Corporales ist es dann von den Temperaturen her plötzlich merklich angenehmer, so dass sich der schwere letzte Anstieg zum Puerto de Los Portillinos einigermaßen erträglich fahren lässt. Es ist der höchste Pass der Region (höchster Punkt 1.957 m schon ein gutes Stück vor dem Passschild) und ich bin froh als ich oben bin. Fast geschafft, der Rest ist nun nicht mehr schwierig. Eine harmlose Gegensteigung noch zum El Morredero, dann zum Teil sehr rasant runter nach Pontferrada und noch ein paar flache Kilometer ins Ziel.

Nach dieser Hitzeschlacht wäre ich auf dem Campingplatz natürlich sehr gerne mal in einen Pool gesprungen. Den hat der ansonsten sehr gute Camping El Bierzo leider nicht zu bieten. Das trifft übrigens auch auf fast alle anderen Campingplätze der Region zu. War so ziemlich das Einzige, was ich in dieser hochsommerlichen ersten Woche mitunter vermisst hatte.


Passhöhe Fuente de la Cueva (oder auf Galizisch auch Fonte da Cova…)




Diese Tageshöhenmeter-Punktlandung am vermeintlich letzten Hügel des Tages fand ich schon witzig. Ganz der finale Wert war es aber noch nicht, ein paar Meter kamen noch dazu.
Am Ende stimmte übrigens der gemessene Wert der aufgestiegenen Höhenmeter sehr gut mit dem per bikemap vorab ermittelten Wert überein. Das traf im Wesentlichen auch für die anderen Tage zu.


Grundsätzlich ist es für mich auf so einer Pässe-Radreise schon wichtig, vorab in etwa zu wissen was da an Höhenmetern an den einzelnen Tagen auf mich zukommt. Hat bei der Tour mit bikemap also sehr gut funktioniert. Ich war mir da vorher nicht so sicher, denn bei Touren in meiner Heimat (Sächsische Schweiz, Osterzgebirge) kann man die bikemap-Ergebnisse meist vergessen. Dort muss ich die im Vergleich dazu stets wesentlich größeren Höhenmeterwerte nehmen, welche mein Navi oder auch caminaro (identischer Wert) für einen Track ausweist. Die wären wiederum für die hier beschriebene Reise unbrauchbar. Lässt man sich den Track dieses Tages hier z.B. mit caminaro anzeigen, so werden da nicht weniger als 5.530 Hm ausgewiesen. Das ist natürlich völliger Unfug, den ich von vornherein nicht für bare Münze genommen habe. Trotzdem, wegen diesem Durcheinander hatte ich vor der Reise schon leichte Zweifel ob ich nicht doch die Etappen leicht überplant hätte.

Wie auch immer, was die Online-Routenplaner an Höhenmeterwerten so auswerfen ist mit Vorsicht zu genießen. Leider scheint es kein System zu geben, was in allen Regionen halbwegs zuverlässig funktioniert.




Tag 07 (Sa 30 Jul 16)
Strecke: Villamartín de la Abadía – Vega de Espinareda – Páramo del Sil – Piedrafita de Babia – Δ Puerto de Somiedo (1.486 m) – Pola de Somiedo
121 km | 5:41 h | 21,3 km/h | 2.220 Hm
Ü: Camping Pola de Somiedo | 9,13 €

Einige flache Kilometer zu Beginn, dann geht es über zwei Hochpunkte nach Vega de Espinareda. Schöne Fahrt, vor allem der erste durch eine Schlucht führende Anstieg macht Laune. Das Ganze zum Glück bei deutlich angenehmeren Temperaturen als an den letzten beiden Tagen. Nach Pause in Vega de Espinareda dann immer leicht bergan weiter in nördlicher Richtung. Keine großen Höhepunkte hier.

Nach einer längeren Abfahrt ins Tal de Río Sil wird es interessanter. Ich verlasse nun gleich wieder das Flusstal und fahre über Páramo del Sil zum Matalavilla-Stausee. Sehr schöner Abstecher, der mit ein paar Kilometern Abfahrt zurück zum Río Sil endet.

Nach einem flotten Part bis Villablino fahre ich danach nicht direkt durch Richtung Puerto de Somiedo sondern biege für einen weiteren Extraschlenker ab in ein Seitental (Río Bayo). Ganz nett soweit, doch der Weg zurück ist nicht durchgehend asphaltiert. Eigentlich gar nicht mein Fall, doch jetzt muss ich hier durch. Gleich zu Beginn die Piste, und die ist doch recht schwierig. Zweimal muss ich vor der starken Steigung und dem losen Schotter kapitulieren und ein Stück schieben. Passiert mir selten. Zum Glück währt der Spuk nur 1,5 km, dann geht es ganz entspannt auf Asphalt weiter.

Ab Piedrafita de Babia dann weiter zum Puerto de Somiedo. Zum Glück ist die Steigung harmlos, denn ich muss gegen üblen Gegenwind ankämpfen. Am Pass ist dann eindeutig die Klimascheide zum grünen Nordspanien erreicht, denn dort ist es nach einem bis dahin erneut herrlichen Sommertag plötzlich kühl und wolkig. Ich sehe schon – das war‘s dann vorerst mit dem absoluten Hochsommer. Eigentlich müsste ich aufatmen, denn die Hitze der letzten Tage war schon heftig. Weitere Hitzeschlachten sind mir während der Reise dann auch erspart geblieben, mehr als Mitte 20°C gab es nicht mehr.

In Pola de Somiedo ist ganz schön was los. Die Trailrunningszene hat sich heute hier zusammengefunden, um auf einer Ultra-Berglaufveranstaltung (Link Ultratrail Desafiosomiedo) über unfassbare 86 km die Berge rund um Pola de Somiedo hoch und runter zu rennen. Völlig unvorstellbar für mich. Da muss man schon fit sein, so viele drahtige und durchtrainierte Gestalten habe ich jedenfalls noch nie auf einem Campingplatz gesehen.


Matalavilla-Stausee


Puerto de Somiedo




Zielbereich Ultratrail