Re: USA im Frühling: Arizona 3

von: veloeler

Re: USA im Frühling: Arizona 3 - 28.06.16 10:10

Arizona, Rest

Das Beitragsbild entstand einen Tag früher. Statt Sandsturm (kein von einem Fahrzeug aufgewirbelter Sand!) fahre ich heute in den Regen...


Mit starkem Rückenwind holpere ich 20mi über die Schotterpiste. Natürlich stimmt die Angabe über die Strassenqualität nur für Autos... Man beachte das Schuhwerk.


Der Schnee wird mich von hinten in einigen Minuten eingeholt haben...


Eeendlich auf der Strasse rollt es sich gut mit Wind von hinten links und bergab. Die spektakulären Vermilion Cliffs auf der linken Seite sind leider von den Regenwolken verhüllt.

In zwei Stunden wird es dunkel. Ein Motel kommt gerade rechtzeitig. Im Zimmer nebenan ist Pat, Pensionierter aus Washington (state), der morgen zu einer zweiwöchigen Holzboottour den Colorado River hinab startet. Wir gehen zusammen essen. Schade haben wir nicht gewettet, dass ich aufessen würde (im Zimmer gab es dann noch Dessert...).

Bei der Velokontrolle muss ich feststellen, dass das Spiel in der Federung deutlich grösser geworden ist, und die Schwinge sich löst (krass ausgedrückt: Der Rahmen droht auseinanderzufallen). Ein Mail an den Experten geht mangels Internetverbindung noch nicht raus. Im Ersatzteilfundus finde ich eine halbwegs für eine Notsicherung passende Schraube, nur anziehen kann ich sie nicht wirklich. Wird schon gutgehen. Hoffentlich.

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Draussen tobt der Wind wie verrückt. Die Richtung kann ich allerdings aufgrund der Lage umringt von Felswänden nicht bestimmen. Hoffentlich immer noch gleich wie gestern...
Dick eingepackt wage ich mich vor die Tür.

Wind von vorne links. Hoffentlich bleibt die Richtung (siehe Karte...). Ein Versuch, an den linken Strassenrand zu fahren resultiert windbedingt in einem U-Turn...


Gestern wolkenverhangen, heute in der Morgensonne: Vermilion Cliffs zur Linken. Super!


Die nur noch für Fussgänger - räusper - freigegebene Navajo-Brücke ist nach Westen abgesehen von ihrer Nachfolgerin gleich nebenan die letzte fahrbare Passage über den Colorado River bis zum Hoover Dam.

Den Grand Canyon, hier eher eindrücklich als Grand, überquere ich auf der "alten" Brücke. Gleich drei Mal.

Tatsächlich ist der Wind auf der anderen Talseite gleich. Mich erwarten 70mi mit kräftigem Rückenwind. Von 3500ft auf 6000 und wieder hinab auf 4500. Die Durchschnittsgeschwindigkeit ist wahrscheinlich trotzdem ü20. Wahnsinn, wie das abgeht zwinker


Gezuckerte Hänge. Ab 5000ft gibt es das Weisse sporadisch auch gleich neben der Strasse.

Um 1100 zeigt der Tacho 80mi an und der 3000ft-Anstieg zum Grand Canyon South Rim steht an - mit Gegenwind...

Grand Canyon.
An jedem Aussichtspunkt, wo ich anhalte, gibt es mindestens ein Auto und mindestens jemanden, mit wem ich ins Gespräch komme.


Das verschwommene Weisse im Hintergrund in der Bildmitte ist...

Als es auch bei mir zu schneien beginnt, lasse ich die Aussichtspunkte rechts liegen und fahre direkt zum Campground, welcher zwar voll ist, aber wie mir schon am Eingang gesagt wurde für Unmotorisierte haben sie immer Platz (kein Wunder, Wildcampingmöglichkeiten gibt es nämlich en masse und wenn sie das nicht wollen...).
Nach 140mi mit ordentlich viel bergauf schiebe ich das Velo ein paar ft zum Platz, statt ein paar hundert ft hinzufahren.

Das Areal teilen wir uns zu sechst in vier Zelten.
- Das belgisch-amerikanische Paar hat einen Dreitagestrip zum Fluss hinter sich und wird nächste Woche hier Pfade ausbessern.
- Das kanadische Paar auf MTB ist auf dem Arizona Trail nach Norden unterwegs (Enddestination ist der Camping an der Grenze zu Utah, wo ich vor zwei Tagen war). Sie würden es nicht nochmal machen "die Velos sind mehr Last als Hilfe - das ist trotz anderslautender Beschreibung ein Wanderweg".
- Ein älterer Amerikaner wandert den Arizona Trail und ist gerade in der Mitte von zwei Ruhetagen.

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Um ca. 0400 kann ich nicht mehr schlafen und nutze die um diese Zeit gute Internetgeschwindigkeit. U.a. für ein Telefon.
Das gestern gekaufte und draussen* gelagerte Joghurt konsumiere ich ohne bedenken. Das Wasser in der Apsis ist nicht gefroren. Soo kalt kann es also nicht sein.
*das Zelt ist so platziert, dass einer der bärensicheren Behälter in der Apsis steht. Die Fressalien übernachten dort drin - nicht alle kommen wieder ans Tageslicht zwinker

Meine Zeltabbaugeschwindigkeit habe ich über- und die Hügel auf der "Rim-Strasse" unterschätzt: Zwei Minuten vor Sonnenaufgang erreiche ich einen akzeptablen nicht den gewünschten Aussichtspunkt. Super!


rechts


links
Also soo schlecht ist der Ort dann doch nicht zwinker . Wie im Zion NP ist die Strasse zum Westende für MIV gesperrt. Trotzdem gibt es teilweise einen Veloweg (und immer einen Wanderweg, auf welchem aber mehrheitlich Fahrverbot herrscht).

Veloweg direkt an der Schluchtkante


Die Kamera kann die Dimensionen nicht richtig einfangen - oder liegt es nur am Fotografen?

2h nach Sonnenaufgang bin ich wieder zurück. Gerade rechtzeitig für ein ausgiebiges Zmorge im seit ein paar Minuten geöffneten Lokal.

Die Pause wird länger als geplant und es warten doch immer noch 100mi in mittlerweile weniger als 10h Tageslicht auf mich. Helikopter sind während der ersten Meilen (in Schluchtnähe) zu hören. Früh aufzustehen hat sich also noch mehr gelohnt.
Es geht mit strammem Rückenwind mehrheitlich bergab. So ist das mit den 100mi natürlich easy.

Am Tankstellenshop verpflegt sich gerade ein Australier. Flagstaff-Banff - es ist sein zweiter Tag und er friert.

Unterwegs hole ich ein pensioniertes Paar auf Trikes ein. Mit dem schmalen Seitenstreifen und dem Rumpelstreifen muss ein dreispuriges Velo eine Qual sein.

Habe ich den Rückenwind erwähnt?

Verunsichert durch die geschilderten Begegnungen füttere ich mich in Williams mit Fastfood und eine Suchmaschine mit den Begriffen interstate arizona bicycle i-40. Da habe ich vor ein paar Monaten schon richtig geplant...

Kaum auf besagter Strasse informiert das Schild Los Angeles 458. Huch, so weit bin ich schon? Mit bis ü50 brettere ich über den Seitenstreifen bergab. Nicht immer.
Nach gut 20mi ist der Spuk vorbei und genau dort kommt mir ein weiterer Velofahrer entgegen. Die ACA-Karte Route 66 in seiner Lenkertasche sagt mir, dass mein Routing richtig war. Von wegen:

Route 66
Kein Verkehr. Nicht nur auf dem Foto nicht.


In Seligman lebt man vom Mythos. (Bild unscharf, weil ich es unten abgeschnitten habe und mir nicht extra dafür eine App aufs Handy laden will - die Standardapp macht aus JPEGs eben verschwommene PNGs)

Am Morgen war ich winterlich dick eingepackt und jetzt latsche ich in Shorts und Flipflops zum Essenslokal. Ist zwar frisch, aber wie heiss wird das erst, wenn ich 6000ft tiefer bin?? Und einen Sonnenbrand habe ich wahrscheinlich auch. Verrücktes Wetter.
Fehler im Text sind auf die flüssigen Beilagen zu schieben.

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Bei der gestrigen Old Route 66 war die Interstate jeweils in Reichweite. Ob sie heute auch so viel Verkehr von meiner Strasse fernhält?

Wiederum RÜCKENWIND!

Nach 25mi gibt es ein Motel bei den "Grand Canyon Caverns". Für 5$ darf ich mich am Zmorgebuffet bedienen - ist mir natürlich mehr wert.

Der Abschnitt fern vom Verkehr und der Interstate erinnert mich an den Animationsfilm "Cars" - würde mich nicht wundern, wenn hier die Vorlage ist.

Ich fahre auf der "Old US 66". Dass dies trotzdem nicht die originale Strasse ist, erkennt man an an den vielen kleinen gesperrten Brücken oder wie hier am überwucherten alten Asphaltstreifen links zwischen Fahrbahn und Tank

Auf der Schiene wird hier deutlich mehr transportiert als auf der Strasse.

Der bepackte Tourenradler vor mir entpuppt sich als tandemfahrendes Paar aus D. SF-LV mit vielen Unwegen...

Um 1300 möchte ich in Kingman sein. Eigentlich ziemlich ambitioniert - mit dem Wind bin ich 1.25h früher dort... Die Nettodurchschnittsgeschwindigkeit heute Abend wird bei ü20 liegen. Wahnsinn!

Telefon. schmunzel


Nein, ich habe den Carbonsitz nicht durch diese Holzbank ersetzt. Die Tür links führt in einen...

...Bikeshop. Der junge Mechaniker vertritt den Laden souverän und kann meine zwei Rahmenprobleme tatsächlich lösen (oder "anziehen"). Eines permanent und eines schaffe ich in Zukunft auch selbst (hätte mich nur trauen müssen...).
Juhuu!! Den Burschen lasse ich an meiner Freude teilhaben.

Ziemlich früh bin ich im Motel. Und ziemlich müde.

Znacht beim Beinahe-Italiener. Die Zutaten sind "italienisch", die Bedienung asiatisch und die Grösse amerikanisch. Und besser als der Wein.

Videotelefon. In Europa ganz verschlafen und hier hundemüde.

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Als ich erwache scheint die Sonne schon ziemlich weit oben. Der richtige Zeitpunkt, mich für einen Ruhetag zu entscheiden.

Das Teil ist gewaltig (die Räder haben Durchmesser "meine Körperlänge")



Route 66 Museum. Das spannendste fand ich die Videoaufnahme eines Mannes, der schildert, wie es damals 197x war, als die Interstate eröffnet wurde und von einer Minute auf die andere der Verkehr von 10'000 Kfz/Tag auf 50 Kfz/Tag abnahm.

Die Pizza im kitschigen rosa-türkis-farbenen Tourilokal wird mir gleich mit dem Zum Einpacken-Behälter an den Tisch gebracht. Tatsächlich schaffe ich nur 3/4 vor Ort, was dem Kellner im passenden hautengen pinken Shirt trotzdem imponiert (oder ihn anwidert? - egal).

Der Nachmittagsschlaf fällt aus, weil ich da gerade eine Idee habe, welcher etwas Vorbereitung gut tun kann (mehr dann hoffentlich nach Arizona).

Znacht im Motelzimmer, Restenverwertung.

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Die Sonne scheint bereits, als ich erwache. Den Schlaf scheine ich nötig gehabt zu haben!

Es erwartet mich wiederum Rückenwind.

Rückenwind, stets leicht bergab und gut rollender Belag (ja, dieser!): Teilweise rollt es meilenweit ohne zu treten mit 20-25mph...

Ein kurzer Glacé-Stop an der Tankstelle.
Ein kurzes Gespräch mit dem "Müllmann", welcher die (und nur die) grossen Reifenstücke einsammelt. Wir überholen uns je ca. 5x und kommen etwa gleich schnell voran.
Ein kurzer Stop am Aussichtspunkt der Gegenfahrbahn (weniger Höhenmeter).

Leider ist die Old US 93 gesperrt, was mir einen ziemlichen Umweg beschert und die Aussicht auf der Brücke ist mit DEM Velo gleich Null (ob es aufrecht so viel besser wäre?).

Wie oft ich die Grenze von Arizona überschritten oder überfahren habe? Wahrscheinlich ca. 20x... Und es ist noch nicht vorbei!