Re: USA im Frühling: Kansas

von: veloeler

Re: USA im Frühling: Kansas - 28.06.16 10:06

Kansas

...für mich der Inbegriff von "riesiges Maisfeld". Das wird im Frühling schon anders aussehen...

Was gäbe ich für ein anständiges Maisfeld zu meiner Linken, in dessen Windschutz ich fahren könnte! Stattdessen haben nicht einmal die sporadisch vorkommenden Büsche Laub, das den Wind abschirmen könnte...

Statt auf der Hauptachse in die Stadt zu fahren, wähle ich eine Parallelstrasse. Die stellt sich als Schotterpiste heraus - wieder zurück.


Pittsburg KS

Znacht gibts mexikanisch im Restaurant gleich nebenan. Möglichst mild der aufgesprungenen Lippen zuliebe: Steak, Shrimps, Pommes, Salat.


Am Morgen in Pittsburg erfahre ich, dass mein Schlafplatz übermorgen in Newton sein wird. Darauf freue ich mich sehr. Allerdings liegen knapp 200mi zwischen den Orten und der kansasische* Wind wird sich unerbittlich zeigen. Heute von links vorne mit 30, morgen von vorne mit 15 - soweit die Prognose.
*?
Ich plane also heute die kürzere Etappe, packe die Taschen komplett um für "Seitenwind von links" und freue mich auf eine Übernachtung am Toronto Lake im State Park.

Die Windprognose stimmt. Est einmal geht es aber hauptsächlich nach Norden - also Rückenwind. Und wie!

Zum Glück gibts auf den kleinen Strässchen mal ein Wäldchen oder Haus auf der linken Seite.

Burger in Walnut im einzigen Shop. Die Einheimischen sprechen von 50-mph-Wind ohne, dass ich das gefragt hätte.

Der Wind bläst. Ich trete.

Die Amis bisher haben sich oft über die neue Kreditkarte, die mit dem Chip gewundert. Das Zmittag bezahle ich kontaktlos (also eine Stufe moderner als der neue Chip). Die Dame an der Theke ist sprachlos lach

Wind. Treten.


Am Toronto Lake checke ich erneut die Windprognose. Oh Schreck: Von vorausgesagten harmlosen 15mph-Gegenwind am Morgen steht da jetzt 30 aus NW - nach Newton gehts nach WNW. Zudem 20 Grad kühler als heute. Also nix heute kürzere Etappe, morgen die Längere und erstmal weiterfahren.
Der Toronto Lake ist übrigens speziell mit seinen vielen aus dem Wasser ragenden abgestorbenen Baumstämmen. Warum ich das sehe ist gleich auch das Unschöne: Die Bäume ringsum sind alle (noch) kahl.

Wind. Mit einem Up hätte bei Geradeausfahrt die Pedale mehrmals den Boden berührt und ich mich in den Graben gesetzt und geheult.
10 km vor Eureka - ich fahre mit Vollast und Tempo 7 Schlangenlinien und ein paar Mal fast in den Graben - bin ich am Ende und finde heraus, dass Eureka sogar ein Motel hat - Eureka! Das schaffe ich bis Sonnenuntergang...

Heulender Wind draussen und ich kann trotz ordentlichem Erschöpfungsgrad nicht einschlafen.
Sonstiger körperlicher Verschleiss, man wird auf so einer Tour ja nicht jünger, nur fitter:
- Der Wind hat heute das TShirt hochgeschoben - zwei Zoll hoher Sonnenbrandstreifen am linken Oberarm.
- Die Achillessehne ist dank gutem Belag, schonender Fahrweise und intensivster Pflege wieder OK.
- Die auf der Regenetappe (keine Socken) in Alabama wundgeriebene Stelle am linken Fussgelenk dachte ich so gut wie verheilt, hat sich heute aber entzündet und braucht in den nächsten Tagen wieder etwas Aufmerksamkeit.
- In beiden Kniekehlen hat sich wegen bei zu hoher Temperatur getragenen(=zu spät ausgezogenen) Knielingen eine Stelle wundgerieben.
- Die Unterlippe ist trotz intensiver Pflege von Anfang an zweimal aufgerissen, scheint sich aber langsam an den Nicht-Büro-Alltag zu gewöhnen. Der Härtetest in der trockenen und sonnigen Höhe steht noch aus.
- Das Gesicht sieht aus wie Skiferien mit Velohelmriemen.
- Also viel Gejammer und kein Problem. lach


Start kurz nach dem Hellwerden in den Gegenwind. Es ist ziemlich einfach heute: 20mi nach Westen, 20mi nach Norden, 20mi nach Westen - Wind aus NNW. Es ist eisig - Temperatur um den Gefrierpunkt. Nach 30mi sehe ich ein, dass drei Schichten eine zu wenig ist und ziehe noch etwas über.

Zmittag in Cassoday - so habe ich mir ein amerikanisches Roadhouse vorgestellt. schmunzel

Windschutz?

Auf den letzten mi - der Belag ist nagelneu - lässt der Wind scheinbar etwas nach. Und die Sonne scheint, so dass zwei Schichten nacheinander in den Taschen verschwinden.

Newton Bike Shop. Was für ein Ort! Die Betreiber leben ihren Traum: Ein Velogeschäft mit für jedermann(!) erschwinglichen Preisen und zugleich ein Hostel exklusiv für Velofahrer. Wir sind auf halber Distanz des TransAm - da kommen öfters Leute wie ich durch - dieses Jahr bin ich der Erste. Das Hostel besteht aus aktuell 4 Betten und zwei Sofas im(!) Shop - auf Luftmatratzen zwischen Ausstellungsobjekten, Werkstatt und Beratungstresen können bis zu 20 Velofahrer übernachten.
Wirklich ein sehr spezieller Ort - perfekt für den sowieso benötigten Ruhetag.

Der Hostelbereich wird gerade ausgebaut und am Abend ist jede helfende Hand beim Umbau gern gesehen. Die Flipflops entsprechen sicher nicht den amerikanischen Sicherheitsvorschriften...

Vor dem Einschlafen sehe ich noch das hier.

Ruhetag kurz erzählt:
2 Fons.
Zmorgebuffet.
Velo-Wash (by James).
Veloservice. Ausser Bremsen neu einstellen und eine lockere Speiche (vorne) anziehen eigentlich nichts. Das Gepäck tut dem Sitz nicht gut. Hoffentlich hält er durch.
Cleats neu fixieren (=an Schuhen herumschneiden - so eine Position ist offenbar nicht vorgesehen...).
BBQ-Pizza, die allerneuste Kreation von nebenan. Mit Essiggurken.
Beim Zusammenbau eines Erwachsenendreirads (ich nenne das Ding nicht "Trike", obwohl es das technisch ist...).
Mexikanisch essen.
Chröös.

Vorher. Beim Velo hats ein paar Minuten gedauert...


Nachher. ...bei Körper und Seele einen Tag, nur lässt sich das nicht so schön veranschaulichen.
Letztes Jahr in Coober Pedy, heute verbringe ich den Karfreitag als Ruhetag in Newton. An beiden Orten gefällts mir.

Heute gehts wieder weiter. Es hat in der Nacht geregnet, womit sich das Problem Präriebrände auf meiner Route erledigt hat.
Gleiches Zmorge wie gestern.
Herzliche Verabschiedung.
Zitat:
Dear Heather, James and Wayne
THANK YOU!


Entgegen der Prognose erwartet mich auf den ersten 15mi mit dem blitzblanken Velo Rückenwind. Zumindest ein bisschen. Noch besser ist aber, dass es heute überhaupt keinen kräftigen Wind gibt - auch wenn er dann hauptsächlich nicht von hinten bläst.

Zmittag in Nickerson zusammen mit einem Bauern. :-)

Die knapp 60mi bis zum Etappenziel Larned sind zwar nicht ganz so leer wie in James' Beschreibung - Verpflegung aber gibts nicht. Selbes gilt für den Verkehr. Und für Kurven.

Dieser "Aussichtspunkt" über die Salt Marches ist die einzige Touristenattraktion weit und breit. Die vielen Ölförderanlagen haben es teilweise nur ganz knapp nicht auf das Bild geschafft.


Links


Rechts


Vorne, hinten


Kühe im Vordergrund. Fleisch im Hintergrund.

Die Bedienung im Fastfoodschuppen vom Motel gleich über die Strasse hätte einen besseren Job verdient. Da ich zu doof bin, den Schalter/Hebel/Knopf/Dings zu finden, um das Wasser aus dem Duschkopf zu bekommen, bin ich eben vollgebadet lach - das Seifenwasser wird dann mit einem Lappen am Lavabo entfernt...
[img]http://tifigontour.files.wordpress.com/2016/03/20160326_205559.jpg][/img]
Socken trocknen.


Ostersonntag.
Orientierung in Kansas ist einfach. Der Plan für heute (Distanz/Richtung): 12W, 19N, 33W, 31W, 24W, ev 45N.
Das könnten ganz schön viele Meilen werden. Also Zmorge als es draussen noch dunkel ist.
Start mit dem Sonnenaufgang bei 26 Grad. Brrr!
Die Gegend ist ziemlich öde und so freue ich mich während ein paar Stunden nicht nur auf die zunehmende Höhe des Sonnenstands, sondern auch aufs Zmittag.
In Ness City ist es soweit. Ich nehme die allererste Gelegenheit, der Supermarkt. Dass der Ort viel bessere Möglichkeiten bietet, sehe ich erst nachher.
Der schwache Wind aus WSW begleitet mich den ganzen Tag. Das Velo läuft bei fast perfektem Belag trotzdem ordentlich lach

Die ersten 120mi sehen alle so aus. Gäähn.


Im Tankstellenshop in Dighton gibts Gemüse-Fleischrollen und Bananen. Während dem Verzehr draussen an der wärmenden Sonne lausche ich dem Gejammer eines Farmers einem Berufskollegen gegenüber.

8mi vor Scott City ist klar: Die Extrameilen nach Norden nehme ich heute schon in Angriff.
Der Wind kommt jetzt teilweise sogar von hinten. Noch viel besser ist aber, dass die Landschaft sich wieder ändert: Kurven, Auf&Ab, Aussichten. An einem Aussichtspunkt mit Infotafel stoppe ich kurz. Und wie sich das gelohnt hat:

Einfach so am Wegesrand in Kansas


1h vor Sonnenuntergang steht das Velo in einem für viel mehr Personen gemachtem Motelzimmer und die Rekordverdächtige Zahl 165 auf dem Tagesdistanzzähler.
Dusche. Pommes. Pizza.


Der Umweg am Morgen für etwas Statistik bringt neben 5 Mi unbefestigter Strasse auch...

...den ersten Platten der Tour und des Velos überhaupt.

Ca. zwei Wochen sollten die Pneus noch halten, dann das Gepäck bei nächster Gelegenheit ("Platten") um die Ersatzpneus erleichtern und die Reservepneus wieder mit nach Hause nehmen. Das ist immer noch der Plan...

Es ist angenehm warm. Und das auf 4000ft im März schmunzel

Im Shop in Winona gibts ein Sandwich, welches ich aus dem Kühlschrank nehme und in der Mikrowelle warm mache.

Mitten im weiten Nichts gibts eine Stunde.


In Sharon Springs gibt es um diese Zeit keine Pizza. Dann eben Pommes mit Nuggets.

Ziemlich skuril ist das letzte Ereignis in Kansas: Ein entgegenkommendes Auto hält und der Fahrer streckt mir eine Wasserflasche entgegen. Dass ich genug Wasser bei mir hat, ignoriert er oder versteht es schlicht nicht ("have a good one" ist alles, was aus seinem Mund kommt. Ist ein etwa so universeller Spruch wie "Ciao"). Die Tür öffnet sich, unten kommen schneeweisse Socken hervor. In diesen stakst der nicht gerade schlanke Herr zu mir herüber und überreicht mir die Flasche. Have a good one! Thank you! Das macht glücklich - nicht wegen des Wassers sondern wegen der Geste schmunzel
Die Wasserflasche ist dann auf dem Titelbild des nächsten Berichts zu bestaunen (auf dem Sitz).

?Maisfeld?? Da gibts (fast) keine Maisfelder. Zu keiner Jahreszeit! Hauptsächlich Graslandschaft. Also so gut wie nichts Anderes.