Re: USA im Frühling: Missouri

von: veloeler

Re: USA im Frühling: Missouri - 28.06.16 10:06

Missouri

Statt idyllisch mit der Fähre erreiche ich den Staat mit 35 über die weit offenklaffenden Lücken des Betonbelags die Mississippibrücke hinabdonnernd.

Das Motel kurz links liegen lassend fülle ich den Proviant an der Interstateraststätte etwas weiter auf.
Ein [beleidigendeBezeichnungNachträglichGelöscht] meines Alters mit offen getragener Pistole nickt mir zu, als wären wir vom selben "Kaliber". Hätte ja sein können...

Auf 80 Grad stelle ich die Klimaanlage - etwas Aufwärmen tut gut. Dabei bin ich doch noch fast auf Meereshöhe; Wie soll das erst in ein paar Tagen gehen?


Gestern tat mir die linke Achillessehne weh - gar nicht gut! Also vor der Losfahrt den Tretlagerausleger etwas zurücknehmen und ein Fersenpolster improvisieren. Als Ursache kommen nämlich sowohl ein zu gestrecktes Bein als auchdie Tausenden Schläge vom Schuhrand während holprigen Passagen in Frage.

Zmorge auf der ersten Meile in der Interstate-Raststätte. Mein Thermometer zeigt 41 Grad an und ich beschliesse wenn der MRT nicht besser wird, schlage ich mich direkt auf den TransAmerica-Trail durch, was schade wäre, weil das heisst, ein gutes Stück Route66 auszulassen.

Charleston MO am Samstagmorgen: Kalt und verkehrsfrei

Die ersten Meilen sind flach und mit Gegenwind. Ab Benton gibt es ein paar fiese Steigungen und in Chaffee habe ich genug. Byebye MRT!

Auch hier hat der Frühling begonnen.



Zunächst ist die Fahrt nach Westen noch flach. Das ändert sich aber bald und es kommen unzählige teilweise sehr(!) steile Auf- und Abfahrten. Schon cool, mit gefühlt 2g in einer Talsohle in den Sitz gepresst zu werden und locker mit 25 über die nächste Kuppe rollen. Nur kommt das kaum vor - die Realität sieht anders aus:

Auf dem kurzen Stück geht es im kleinsten Gang serpentinenfahrend 120Hft hoch.

Gerade die Gegend um Lowndes MO ist sehr einsam - hierher verirren sich keine anderen Touristen. Nicht nur jetzt nicht.

Jeder kennt den Spruch vom schlechten Wetter und schlechter Kleidung.
Was für diese extremen Wellen, teil-bewölkten Himmel, velofahrend bei 55 Grad Passendes muss zuerst erfunden werdend (Astronautenanzüge fallen wegen "Wellen" und "velofahrend" weg zwinker ). Für mich ist es ein Wechselbad zwischen heiss und kalt, wobei nach jeder Kurve eine Auf- oder Abfahrt lauern kann und dementsprechend auch nicht vorausschauend "gereissverschlusst" werden kann.

Nach ein paar Meilen Seitenstreifen quartiere ich mich in Piedmont MO im Motel ein - für einmal weder Fernseher noch Mikrowelle und das Internet funktioniert: Mir gefällts.
Erstmals erreicht eine Etappe die Marke 5000Hft/100mi, welche etwa dem mir geläufigen 1000Hm/100km entspricht.

Nach dem kleinen Höhenmeterdebakel (das wäre mit anständigem Routing nicht passiert, was auf dem Handy für eine Tour der Dimension "1 Kontinent" nicht praktikabel ist) schaue ich mir den Verlauf der ersten Meilen bis zum TA (siehe unten) auf der US-TOPO an - und entscheide prompt noch einmal um.
Ab sofort sind die Tage wieder je nördlicher desto länger. Nennt man Äquinoktikum zwinker

Sonntagmorgen. Ich freue mich, heute den TransAmerica-Trail (TA) zu erreichen - so etwas wie die Route 66 für Velofahrer.


Auf dem Damm des Clearwater Lake. Temperatur knapp über dem Gefrierpunkt

Trotz gestrigem Kartenstudium kommen einige Hft zusammen.

Nach dreissig Meilen bin ich auf dem TA, welcher wieder zu meinem Erstaunen ausgeschildert ist. Die Nummer 76 steht für das entsprechende Jahr 1976.
Im scheinbar einzigen geöffneten Laden im Ort gibts hauptsächlich zwei Dinge zu kaufen: Treibstoff fürs Auto und solchen für mächtigen Brummschädel. Kleine Schoggi-Auswahl für mich.
Das Auf&Ab bleibt erhalten, jetzt einfach mit gutem Belag. 0.37 fehlen für Vmax 50...


Die Ozark National Scenic Riverways sind für mich keinen Besuch wert bei dieser Vegetation in Kombination mit Wind und weissen Kügelchen in der Luft, welche auf der Jacke zu Wassertropfen werden. Alle Parkplätze sind leer.


Blick zurück. Diese Wellen sind auf dem grossen Blatt fahrbar - die Steilen sind nicht "fotogen"

Während einer wieder einmal viel zu steilen Auffahrt frage ich mich, wie es wäre hier im Sommer die trockenen Hänge hochzufahren und bin ab der Kälte gar nicht mehr so unglücklich. Die Zehen sind anderer Meinung (zu weit vom Gehirn entfernt?).

Eine Metzgerei preist auf einem Schild an: Rind, ganz oder halb.

Die letzten 10 Meilen schleppe ich mich nur noch vorwärts. Bin müde.
In Houston, Hauptort des Texas-County (entspricht Gemeinde in CH) buche ich mich im Motel ein. Klimaanlage auf heat und heisse Dusche: In den Zehen fliesst wieder Blut...


Nach dem gestrigen Einbruch soll es ein ruhiger Tag werden. Ausschlafen (wie immer schmunzel ). Dann nochmals eine Stunde dösen (nicht wie immer zwinker ).
Zmorge. Die Sonne scheint ins Gesicht.
Nach ein paar Meilen hat eine Kirche eine Temperaturanzeige: 29 Grad. Brrr!

Kaum Verkehr. Die Sonne wärmt.

Und es wird wieder etwas flacher



Vor dem Supermarkt in Hartville gibt es an der Sonne sizend Joghurt, Fruchtsaft und Früchte.

In Marshfield, mit knapp 7000 Einwohnern ein richtig grosser Ort, kreuzen sich TA und Route66: Immerhin 1000ft bin ich auf der als historic Route 66 ausgeschilderten Strasse gefahren. Sogar nach Südwesten zwinker .

Zu Ehren eines gewissen hier geborenen Herrn Hubble wurde diese Miniatur des nach dem gleichen Mann benannten Weltraumteleskops in den Vorgarten der Stadtverwaltung gestellt. Und Touris fötelen das auch noch (ausser mir niemand zwinker ).

Den Rest vom Ruhetag verschlafe ich und freue mich, wieder auf einem schon zu Hause angedachten Track zu sein.


Es erwartet mich laut Prognose starker Wind von SSW vorne - da muss sich das Velo beweisen...

Telefon im Bett. schmunzel

Es ist am Morgen nicht ganz so kalt wie in den letzten Tagen. Schicht für Schicht verschwindet in den Taschen - bis ich so angezogen bin wie in Florida. Bei 75 Grad wird es bergauf teilweise sogar richtig warm/heiss werden.

An einer Tankstelle stoppe ich spontan für ein Getränk und eine gerade angebotene Banane. Mir wird ein Buch gereicht, in welchem sich die Velofahrer eintragen, mit dem Kommentar, dass ich dieses Jahr der Erste [auf dem TransAm] sei und mich hier drin so lange aufhalten (?aufwärmen?) könne, wie mir beliebt. Das höre ich beides nicht zum ersten Mal...
Interessanter ist allerdings das Gespräch mit dem in zerfledderten Kleidern und Gummistiefeln dastehenden Bauern, welcher sich als weit gereister Mann entpuppt.

Die wenigen (4?) letzten Meilen nach Golden City waren wirklich goldig: Für einmal geht es nämlich nach Norden - ohne zu pedalen mit 15 lach .


Typisches Bild Missouri


Seitenwind von links. Ganz so extrem schief wie hier dargestellt liege ich schon nicht auf der Strasse. Aber teilweise fast! Das bremst ungemein und dröhnt in den Ohren.

Wieder einmal einer dieser ***-Köter jagt mich aus dem Staat...


Anfang und Ende waren nicht so prickelnd - landschaftlich ist MO sehenswert schmunzel