Re: USA im Frühling: Alabama

von: veloeler

Re: USA im Frühling: Alabama - 28.06.16 10:02

Alabama

Rückenwind und angenehme 20-25 mph lassen die extrem hässliche Umgebung der Golfküste fast vergessen.



Radstreifen. Sand stört hier am wenigsten...




Rechts die Mobile Bay. Je näher an Fort Morgan, desto weniger Verkehr.



Für den Abend habe ich mich bei Warmshowers-Leuten auf Dauphin Island angemeldet. Beim Fort Morgan die Ernüchterung: Wegen zu viel Wind fährt die Fähre nicht. Sche***e!!
Mich abmelden. Waschen. Schlafplatz suchen. Zelt im Sand/an Büschen versuchen aufzustellen (freistehend wäre eben doch schön) - das bisschen erwarteten Regen wird es schon abhalten... Mitgeschlepptes Bier öffnen. Ende.
Übrigens: Wind sieht morgen nicht besser aus.
Ob ich mir ausgiebig das Fort ansehe oder um die Bay fahre?

Die paar Regentropfen in der Nacht hält das Zelt ab. Leider muss ich in der Nacht Luft in die Isomatte nachgeben und am Morgen feststellen, dass ein Abspannpunkt am Pedal so unglücklich gewählt ist, dass das mittlere Kettenblatt (...bis auf weiteres...) unbrauchbar ist. Dass sich genau hier auch ein "Schutzengel" aus Metall verabschiedet passt.

Wetterprognose heute. Quelle: Locus.

Als das Fort die Pforten öffnet regnet es bereits und ich ziehe mich ins Trockene zurück.


Die Fähre fährt wieder nicht und meine Infos (siehe Wind oben) sagen, dass das heute und morgen so bleiben wird - damit werde ich Recht behalten.
Nach einem interessanten Gespräch mit dem bei diesem Wetter nicht zu beneidenden Shopbetreiber kommt keine weitere Nacht hier mehr in Frage.
Und eine Mitfahrgelegenheit "Fischerboot" schlägt er mir auch aus dem Kopf. Nur vier Meilen übers Meer. Oder die Hölle aussenrum. Mich um eine Mitfahrgelegenheit über Land zu kümmern lässt mein Ego nicht zu - und weg von hier muss ich heute noch. Das Fort kann mir gestohlen bleiben.

Kurz: In Mobile Unterkunft reservieren. Magen füllen. Route planen. Wasser auffüllen: Ohne Panne kann ich so nonstop die mindestens 70 mi durchfahren (85 werden es). Das wird auch nötig sein...


Vor Losfahrt. Letztes Bild des Tages.



Nach zwei Meilen Gegenwind bin ich trotz Hightech klatschnass. Das ist immerhin 1500x weiter als es beim Shoplieferanten ohne Wetterschutz gedauert hat.
Dann folgen die zwei einzigen regenlosen (nicht "trockenen"!) Meilen des Tages.
Den Weg suche ich mir an jeder Kreuzung ad hoc, wobei es auf Asphalt entweder nach Norden oder nach Westen gehen soll. Bis auf eine Meile zurück wegen geschlossener Brücke klappt das hervorragend (die Umleitung nach Osten wäre weiter gewesen als zurück nach Süden).

Der Regen. Also so etwas habe ich noch nie erlebt. Teilweise regnet es einfach so. Streckenweise schüttet es aber sosehr, dass die Sicht vielleichg 300ft beträgt. Auf einer Landstrasse mit dem Velo trotz Stroboskop in beide Richtungen nicht lustig. Die Felder sind ausnahmslos geflutet. Die Strassen teilweise auch. Da ich nicht sehe, wo ich durchfahre - überhaupt sehe ich fast nichts - hoffe ich einfach keinen Platten einzufahren. Schlauchwechsel ginge. Flicken sicher nicht. Ein paar Schlaglöcher gibt es schon.
Unter einer Interstate-Brücke treffe ich den ersten Tourenradler. In Gegenrichtung unterwegs. Ist so gesprächig wie ich und wohl jeder bei dem Wetter: How are you doing? - Wet! (Wie gehts? - Nass!). Möglichst nicht auskühlen und schnell weiter.
Die Fahrt über die Bucht und hinein nach Mobile ist weniger schlimm als befürchtet (die Angst um Platten riesig, da auf dem überschwemmten Standstreifen die "Abfälle" nicht sichtbar sind).

Eeendlich im Motel buche ich auch die Wetterprognosen im Kopf habend gleich eine Zusatznacht und mich interessiert wie undicht die "nicht wasserdichten" Taschen sind. Sehr undicht. Trocken geblieben sind eigentlich nur Kleider/Schlafsack, Telefon/Pass und der Inhalt eines von zwei Toilettenpapiersäckchen. Der Mampf hat die Dusche ebenfalls leicht feucht überstanden. Das meiste trieft förmlich und die Taschen selbst lassen sich noch ausleeren.
Das Licht im Bad mit gekoppelter Lüftung schalte ich so schnell nicht aus.

Den Hunger stille ich im Fastfoodschuppen gleich nebenan. Viel weiter wäre ich ohne Schirm auch nicht gekommen (die Jacke habe ich gleich beidseitig abgeduscht - wurde auch nicht mehr nasser). In den Nachrichten ist von "Flash Flood in Mobile" die Rede. Jaja, ich weiss.

Ruhetag.
Isomatte flicken. Wetterinfos einholen. Anscheinend habe ich erst den östlichen Ausläufer eines Alle-50-Jahre-Ereignisses erlebt. Und ich will nach Westen.
Grün: Überschwemmung. Gelb: Geplante Rou... hohem Ausmass. Bildquelle: weather.com
Essen. Kettenblatt flicken (das Problem war nicht das Blatt selbst sondern der Unwerfer. Technisch: Mit dem Velo habe ich die Schaltung von der rundum-sorglos-Schaltnabe zur Probleme-sind-erkennbar-Kettenschaltung gewechselt. Funktioniert beides.).
Vier von Ameisen in den Zeltboden gefressene Löcher zukleben.
Weather Channel schauen.
Telefon schmunzel
Bibliotheksbesuch (=Internet, das im Motel ist naemlich unbrachbar).
Einkaufen.
Nichtstun.


Sommerzeitunstellung: Garmin 1, Samsung 0. Erwache also 1h zu früh.
Kurz nach Sonnenaufgang rollt es nach Westen. Nach 2 mi auf den Airport Blvd abbiegen, dann bin ich nach 20mi wieder auf dem geplanten Track.
Dank Sonntag hält sich der Verkehr in Grenzen.
Irgendwo habe ich die 1000. Meile zurückgelegt.