Re: Erfahrungen mit Südengland

von: Mooney

Re: Erfahrungen mit Südengland - 23.11.15 20:46

Meine letzte von insgesamt drei Radreisen in England war Anfang der 90er Jahre. Damals hatte ich keine Probleme mit Kfz-Fahrern, obwohl sich im Rückblick wohl schon eine Tendenz zum engen Überholen abzeichnete. Tatsächlich ist mir genau eine derartige Situation im Gedächtnis geblieben. Das war allerdings auf einer stark befahrenen A-Straße, die ich üblicherweise gemieden habe. Auf B- und unzertifizierten Nebenstraßen bin ich immer ganz hervorragend durchgekommen. Gerade auf letzteren jedoch nicht unbedingt schnell, wegen des Hangelns von Dorf zu Dorf und permanenten Kartenlesens zwischendurch. Verzichten würde ich auf solche Straßen jedoch nicht, zumal es bekanntlich heutzutage ganz andere Navigationsmöglichkeiten gibt. Die Landschaft war immer reizend, und die Verkehrsarmut nicht minder. Der Freund, der mich auf einer dieser Touren begleitete, sagte mir hinterher allerdings, ihn hätten diese ewigen Nebenstraßen genervt.

Radwege gab es damals ganz wenige, und sie waren meistens sehr schnell zu Ende. Benutzt habe ich nie einen. Das war schon auch ein Grund, warum mir das Radfahren dort so gefallen hat im Vergleich zu den deutschen Verhältnissen und speziell Hamburg. Ein anderer Grund war die sehr niedrige Ampeldichte. So ein Kreisverkehr ist gerade für Radfahrer viel angenehmer. Aber man muß befürchten, daß sowohl Radwege als auch Ampeln inzwischen deutlich an Boden gewonnen haben. entsetzt

Nach meiner Einschätzung sollten Campingplätze überhaupt kein Problem sein. Nur bei einer meiner Radreisen habe ich gezeltet, bei den beiden anderen übernachtete ich sehr angenehm in Jugendherbergen. Vorher war ich aber bereits zweimal per Anhalter - was für ein Blödsinn - und Zelt dort gewesen. Nach meiner Ankunft in Folkestone kam ich bis Rye und schlief dort in den Dünen, weil ich keinen Zeltplatz fand. Am nächsten Tag erreichte ich Hastings - doch 20 Km geschafft - und am dortigen Campingplatz prangte mir das Schild "Full up" entgegen, so daß ich mein Zelt auf einer nahegelegenen Erholungswiese mit erstklassigem englischen Rasen hoch über dem Ort aufbaute. Dort hat mich dann auch niemand gestört. Damals war es also noch möglich, dort öffentlich wild zu zelten. Es wäre aber wohl nicht nötig gewesen, denn wie ich später erfuhr, wollte man mit dem Hinweis, der Campingplatz sei ausgebucht, vor allem größere Gefährte mit entsprechendem Platzbedarf abschrecken.

Die beste Reisezeit ist natürlich während der Cricket-Saison, also zwischen Ende April und Anfang Oktober. grins

Wollte ich jetzt nach Südengland reisen, ohne zu fliegen, würde ich über Calais nachdenken. In Dover wärst du schon in Südengland und könntest entweder gleich losfahren oder mit dem Zug weiter nach Westen fahren. Den Hinweis mit dem Wind finde ich nicht ganz unbeträchtlich. Ich erinnere mich an einige Tage mit ätzendem Gegenwind und immer ging es nach Westen. Umgekehrt gab es einige Tage mit erstklassigem Rückenwind - jeweils Richtung Osten.

Ich würde dir empfehlen, dich nicht von den Hinweisen auf übermenschliche Steigungen abschrecken zu lassen. Ich habe in England noch keinen Meter geschoben, auch wenn es manchmal knapp war. Ich bin in Südengland tagelang Rad gefahren, ohne daß mir ein Horroranstieg begegnet wäre. Hoch und runter schon, aber sonst wäre es langweilig. Die Küste von Cornwall ist in der Tat schwierig, weil aus jedem Küstenort ein steiler Anstieg zurück auf die zentrale Hochfläche führt. Aber ich halte Cornwall ohnehin für überschätzt. Die landschaftliche Hauptattraktion dort ist die Steilküste; die ist gut für Fußgänger, nicht für Radfahrer. Pilcher-Fernseh-Landschaft findest du mindestens so gut in Devon, Dorset, Somerset und auch weiter östlich.

Steil wird es auch, wenn du auf die landestypischen Hochebenen- und moore willst. Du mußt da nicht hoch, aber du solltest es. cool Ich bin wiederholt über die Mendips (südlich von Bristol) gefahren. Die Auffahrt ist hart (jedoch ziemlich kurz), aber dort oben fühlt man sich auch heute noch so, wie Thomas Hardy es für das ländliche Dorset vor hundert Jahren ausgedrückt hat: Far from the madding crowd.

Wolfgang